Wasserschule Unterfranken –
Bildung für nachhaltige Entwicklung


Vortrag Rudolf L. Schreiber, Wasserforum Unterfranken 2006

Samstag, 25. November 2006, 10.50 Uhr, Würzburg


Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor wir über Bildung für nachhaltige Entwicklung reden, müssen wir über schmelzende Gletscher, überschwemmte Regionen, brennende Wälder und die ökonomischen Folgen reden. Wir alle haben die Kassandrarufe des Untergangs im Ohr, doch warum handelt die Menschheit nicht gegen die absehbaren Folgen des Fehlverhaltens?

Das aktuelle Ergebnis der Weltklimakonferenz in Nairobi ist hierfür ein hinreichender Beweis: Die Ökologen sagen es seit Jahren, die Wissenschaftler auch, die Ökonomen sagen es immer lauter; die Welt steuert auf eine Klimakatastrophe ungekannten Ausmaßes zu.

Die Vertreter der 189 Regierungen in Nairobi haben dies verstanden, aber man konnte sich nicht einigen was, wer und wie es zu tun ist. Deshalb geschieht jetzt wieder einmal nichts. Warum handelt die Menschheit nicht entsprechend ihrer Erkenntnisse und vernünftigen Erkenntnis?

  • Weil es die „Menschheit“ nicht gibt, sondern Einzelinteressen
  • Sie gibt es im Kopf von Philosophen und UN-Mitarbeitern, nicht jedoch im Selbstverständnis der Menschen. (Es gibt keinen kategorischen Imperativ!)

Angesichts globaler Handlungszwänge, und dazu gehören ganz weit vorne Klimaschutz und Grundwasserschutz, sind die Akteursebenen vielschichtig und zumeist so komplex, dass gemeinsame Erkenntnis sehr viel Zeit braucht.

Konkretes Handeln indes braucht noch viel mehr Zeit. Mehr als wir haben. Das haben die jüngsten Ereignisse auf dem Weltklimagipfel in Nairobi wieder eindrucksvoll bewiesen.

Paradigmenwechsel

Was wir schon seit langem als Phänomen der Globalisierung begreifen, hat tiefe Wurzeln, erreicht aber derzeit eine Phase, die einen Paradigmenwechsel nötig macht.

  • Im 19. Jahrhundert lösten die westlichen Kolonialmächte ihre lokalen Probleme durch globale Expansion.
  • Im 20. Jahrhundert entgegneten die meisten Staaten den erstmals globalen Problemen durch einen Rückzug auf die nationale Ebene.
  • Im 21. Jahrhundert, ist es unerlässlich, dass wir globale Probleme auch global lösen.
  • Im Umkehrschluss ist dies auch eine Chance zur Rückkehr zur Region, in der Entwicklungsprozesse weitaus verbindlicher ablaufen können, als auf höherer Ebene.
  • Die Vorteile regionaler Selbstbestimmung für eine nachhaltige Entwicklung liegen nicht zuletzt im Grundwasserschutz, in der Versorgungssicherheit und mehr Lebensqualität in der Region insgesamt.
  • Für die Aktion Grundwasserschutz übertragen wir deshalb die Devise der bayrischen Wasserwirtschaft auf alle Wirtschaftsbereiche:„So nah wie möglich, so weit wie nötig“.

Was für das Wasser gilt, ist ebenso notwendig für die Lebensmittelversorgung und für viele andere Bereiche des Lebens mehr.

Ob wir mit diesem Paradigma die Welt retten können, wissen wir nicht. Wir sind aber überzeugt davon, dass Unterfranken als Region weltweit Vorbild sein kann. Hier ist man bereits auf einem guten Weg dahin, wie die Anerkennung der United Nations belegt.

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die globalen Zusammenhänge sind kompliziert, Zeit und Raum werden zunehmend über unsere direkte Wahrnehmung hinaus gedehnt. Ob wir es wollen oder nicht, wir leben heute nicht mehr nur an dem Ort, wo unser Haus steht und unsere Kinder zur Schule gehen, sondern wir leben, was unseren Konsum angeht,  über den ganzen Globus verteilt und unser Handeln hat Auswirkungen über die Gegenwart hinaus.

Manchen mag angesichts der globalen Interdependenzen das Gefühl überkommen, der einzelne Mensch spiele bei all dem keine Rolle mehr und die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, sei nicht mehr gegeben. Das ist verständlich, nur glücklicherweise nicht richtig.

Die Entscheidung in der Wahlurne alle vier Jahre ist vielleicht nicht mehr ganz so entscheidend wie sie einmal war, dafür ist  die Entscheidung, wofür wir unser Geld ausgeben, umso bedeutsamer geworden. Unsere Stimme steckt in unseren Portemonnaies.

Nur leider wissen wir viel zu selten, was wir da im Kaufregal eigentlich so alles bekommen. RP Beinhofer hat es eben anschaulich verdeutlicht: wer von uns denkt beim Kauf eines Steaks schon an die ca. 70 Badewannen voll Wasser in Argentinien, die er verbraucht?

Weil jeder Euro zählt und weil die Herkunft und Produktion der Dinge, die wir konsumieren einen großen Unterschied ausmachen, können wir uns nicht länger hinter unserer Ahnungslosigkeit verstecken. Wir können es uns nicht leisten zu kapitulieren. Deshalb liegt der Schlüssel in der Bildung. Bildung muss über die Zusammenhänge der Globalisierung aufklären und sie muss mündig machen;  Wissen ist die Grundlage für freie Entscheidungen und damit für ein Selbstbestimmtes Leben.

Damit Bildung für nachhaltige Entwicklung durchgreifend Erfolg haben kann, braucht es die Zusammenarbeit der Bildungs-einrichtungen. Das fängt beim Kindergarten an und geht bei Schulen, Volkshochschulen, Universitäten sowie Vereinen, Verbänden und nicht zuletzt auch der Politik und Wirtschaft weiter.

Die Regionen als Schlüssel für nachhaltige Entwicklung

Die UNO hat dies erkannt und deswegen die Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen. Dass die Aktion Grundwasserschutz in Unterfranken als Projekt ausgezeichnet wird, ist eine Ehre, aber es ist auch nicht überraschend, weil die Aktion Maßstäbe setzt.

Beim Wasser geht es wie beim Klima ums Ganze und deshalb muss global gehandelt werden, damit den Menschen überall auf der Welt und auch in Zukunft noch auseichend sauberes Wasser zur Verfügung steht.

Gleichzeitig ist Grundwasserschutz eine Aufgabe, die regional-spezifisch sehr unterschiedlich ausfällt. Zwar muss jede Region zum Grundwasserschutz insgesamt beitragen, aber jede Region kann dies am besten vor Ort entsprechend der lokalen Gegebenheiten umsetzen. Prinzip Subsidiarität.

Die besondere Qualität der Aktion Grundwasserschutz besteht darin, dass sie Grundwasserschutz umfassend im Sinne nachhaltiger Regionalentwicklung begreift. Sie nimmt die gemeinschaftliche Verantwortung ernst und schiebt sie nicht auf die Wasserversorger ab. Wir haben deshalb gezielt einzelne Kampagnen zum Beispiel für Grundwasser schonende ökologische Landwirtschaft oder die regionale Brauwirtschaft gemacht und nicht zuletzt mit dem Bioregal ein Angebot, das die Verantwortung des Konsumenten mit der Förderung unterfränkischer Handwerksbetriebe verbindet.

Regionen müssen vorangehen und es besser machen. Wenn in Nairobi der verliert, der sich bewegt, bewegt sich nie etwas; oder wenn, dann in die falsche Richtung. Das Prinzip best practice, also, das beste Beispiel macht Schule, muss herrschen. Die Region Unterfranken macht mit der Aktion Grundwasserschutz Schule, andere werden ihr darin folgen.

Das Beispiel Wasser

Am Beispiel Trinkwasser lässt sich der Zweck und auch das Potential von Bildung für nachhaltige Entwicklung besonders gut darstellen. Es ist vor Ort erfahrbar, sehr konkret, es geht die Gesundheit der Menschen direkt an.

Es verdeutlicht die grenzübergreifende Dimension, ohne jedoch unübersichtlich zu werden. Wasser ist ein Allgemeingut und es wird von verantwortungsvollen Menschen in der Wasser-wirtschaft verwaltet, die nicht eigennützig handeln.

Viel mehr als beispielsweise das große Problem Boden-versiegelung oder CO2 Ausstoß, liegt im Wasserschutz eine große Chance, Schlimmeres zu vermeiden, ja sogar Verbesserungen binnen absehbarer Zeiträume sichtbar zu machen. Wasserschutz fängt vor Ort an, hier in Würzburg, und nicht in Berlin, Brüssel oder Nairobi.

Trinkwasserschutz in Unterfranken

Der Erfolg der Aktion Trinkwasserschutz in Unterfranken fußt wesentlich auf folgenden Faktoren, die nicht zuletzt auch die UNO bei ihrer Entscheidung überzeugt haben:

  1. Die Aktion klärt objektiv und verständlich über den Grundwasserschutz und die komplexen Zusammenhänge in Unterfranken auf.
  2. Alle Maßnahmen zielen neben der Information auf die Motivation des Bürgers für eine nachhaltige Regional-entwicklung.
  3. Die Initiative entwickelt sich branchenübergreifend und bindet unter einem Konzept alle interessierten Partner der Region ein.
  4. Die Aktion begnügt sich nicht mit Aufklärung und Bildung, sondern empfiehlt konkrete Projekte für Problemlösungen.
  5. Sie ist modellhaft konzipiert und kann auf alle Regionen Bayerns sowie Deutschland, Europa und viele Regionen der Welt übertragen werden.
  6. Sie ist somit ein verfolgenswerter Ansatz für eine einheitliche, grenzüberschreitende Strategie zur Bildung und Förderung nachhaltiger Regionalentwicklung.

Vor diesem Hintergrund zielt die Aktion langfristig auf die Bildung und Motivation für eine nachhaltige Regionalentwicklung in Unterfranken.

Alle Bildungsstätten für Kinder und Jugendliche sowie die Volkshochschulen und Medien sind herzlich eingeladen mitzumachen und über nachhaltige Entwicklung aufzuklären.

Die unterfränkischen Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Wirtschaftskommunikation zunehmend auch als Bildungsaufgabe zu verstehen.

Die AKTION GRUNDWASSERSCHUTZ der Regierung von Unterfranken hat deshalb nicht nur zum Ziel, die Trinkwasserversorgung in Unterfranken zum Wohle aller Bürger nachhaltig zu sichern, sondern auch langfristig alle in Frage kommenden Bereiche der nachhaltigen Entwicklung mit einzubinden.

Die Vernetzung des Wassers mit allen Bereichen des Lebens und der Wirtschaft macht ein solches Vorgehen notwendig.

Grundwasser kann langfristig nur geschützt werden, wenn neben einer alle Bereiche abdeckenden, konsequent nachhaltigen Wasserwirtschaft auch die anderen Wirtschaftsbereiche nachhaltig orientiert werden: von der Landwirtschaft über den Lebensmittelhandel, die Waldwirtschaft, die Bauwirtschaft bis zum Tourismus und der unterfränkischen Infrastruktur.

Die Wasserschule

Die Wasserschule wurde im Auftrag von der Regierung Unterfranken von Pro Natur entwickelt, um das Element Wasser erlebbar machen, die Faszination Wasser in ihrer ganzen Breite zu illustrieren, die Bedeutung von Wasser in Unterfranken und auf der Welt zu für Kinder begreifbar zu machen und den respektvollen Umgang mit Wasser zu schulen.

Konkretes Ziel ist, dass binnen fünf Jahren alle Schülerinnen und Schüler der 3.-4. Klasse in Unterfranken die einwöchige Wasserschule durchlaufen haben.

Die Wasserschule besteht im wesentlichen aus einer Lehrerhandreichung, die bereits seit drei Jahren in allen unterfränkischen Schulen ausliegt, und einer Projektwoche für die Schülerinnen und Schüler.

In dieser Projektwoche in der stationären Wasserschule im Landschulheim in Hobbach oder an unserer mobilen Wasserschule, werden sie vor allem in Experimenten an das Thema Wasser herangeführt. Die Wasserschule in Hobbach hat diesen Herbst ihren Betrieb aufgenommen. Die Module drehen sich um wasserspezifische Phänomene, wie zum Beispiel den Wasserkreislauf, Flüsse und Seen, die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung.

Um dem didaktischen Anspruch der direkten Erlebbarkeit des Wassers gerecht zu werden, haben wir uns bewusst für begleitende Kommunikationsmittel entschieden, die den praktischen Umgang mit Wasser anregen.

Im Zentrum steht eine Wasserfibel mit vielen Illustrationen und Anleitungen zu Experimenten, die Anfang kommenden Jahres erscheint, und Exkursionen an Bäche, zu Wasserversorgern und Klärwerken sowie zur Besichtigung von Pumpsystemen.

Ziele

Im Zusammenhang mit Bildung wollen wir Trinken im Unterricht fördern. Trinken im Unterricht fördert die Gesundheit und schulische Leistung der Kinder.

Wir wollen eine flächendeckenden Infrastruktur von stationären Wasserschulangeboten aufbauen und uns dafür einsetzen, dass sie auch auf andere Regierungsbezirke in Bayern übertragen werden kann. Die Wasserschule soll zudem auch auf andere Altersgruppen ausgeweitet werden.

Informationen zu unserer Wasserschule finden Sie auf der Website der Aktion Grundwasserschutz oder sie bekommen sie bei der Regierung von Unterfranken.

Des Weiteren wollen wir die Zusammenarbeit mit ähnlichen Wasserschulen in Österreich ausbauen und ein europäisches Netzwerk anstreben. Es gibt gerade in Bayern bereits vorbildhafte Beispiele internationaler Kooperation zum Thema Trinkwasserschutz.

Grundwasserschutz und nachhaltige Trinkwasserversorgung sind große Herausforderungen. Die moderne Gesellschaft wird spätestens dann scheitern, wenn es nicht gelingt, die großen Probleme der Trinkwasser- und Nahrungsmittelversorgung zu lösen.

Gehen wir in Unterfranken mit gutem Beispiel voran. Beginnen wir in Unterfranken aufzuzeigen, was die Welt braucht: Bildung für nachhaltige Entwicklung in Regionen mit einer lebenswerten Zukunft.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Rudolf L. Schreiber

25. November 2006