Bioland-Partner-Kongress
11./12. Mai 2010
Zeulenroda
Vortrag Rudolf L. Schreiber


Von der Marktwirtschaft zur Systemwirtschaft

© Rudolf L. Schreiber


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mein Vortrag steht unter dem Motto: Systemwirtschaft – Radikal denken und rational handeln. Den Anlass hierfür gaben mir die Nachrichten am Samstag, den 8.5.2010, um 9.00 Uhr:

Finanzkrise: Weltweite Attacke von Spekulanten gegen den Euro. Nach Griechenland gerät Portugal und Spanien ins Visier. Euroländer wehren sich im Finanzkrieg.

Ölkrise: Ölteppich im Golf von Mexiko treibt auf vier US-Bundesstaaten zu. Hochgiftige Chemikalien zum Absenken des Öls versprüht.

Katholische Kirche: Bischof Walter Mixa des Missbrauchs bezichtigt. Rücktritt vom Papst akzeptiert.

Lebensmittelskandal: Dioxin verseuchter Mais aus der Ukraine in neun Bundesländern verfüttert. Bio-Hühnerhalter betroffen.

Nach diesen Nachrichten habe ich mich entschlossen, dem Hauptthema „Von der Marktwirtschaft zur Systemwirtschaft“ einige Bemerkungen voranzustellen.

Krisen der Menschheit und auch der Missbrauch von Macht gab es schon immer. Früher waren sie jedoch vorwiegend regional, heute sind sie global:

  • die Finanzkrise,
  • Umweltkrise,
  • Klimakrise und
  • der Machtmissbrauch.

Was sie gemeinsam auszeichnet, ist der Tatbestand, dass sie selbst verschuldet sind und die gleiche Ursache haben:

Die Gier nach Geld und Macht

Das war früher regional verkraftbar, doch heute geht es ums Ganze, um die Welt.

Machtkonzentration der Finanzwirtschaft und Entmachtung der Politik

Mit der weltweiten Vernetzung der Finanzwelt und der rasant fortschreitenden Globalisierung wächst die Sorge um die sozialen Folgen in den Nationalstaaten.

Der „Asymmetrische Krieg durch Terror“ ist zum Begriff geworden, der „Asymmetrische Wirtschaftskrieg“ noch nicht. Mächtige Investmentbanken und Hedgefonds attackieren ganze Staaten oder Staatengruppen und deren Währungen.

Das sind kriegsähnliche Spekulationen, doch es fließt kein Blut, nur Geld von Steuerzahlern“. (Hans-Ulrich Jörges).

Die Selbstheilungskräfte des Marktes funktionieren nicht. Das Kapital ist mit dem Profit verheiratet und nicht mit der Moral.

Diese Entwicklung ist Anlass genug, bei Marx nachzuschlagen, der den Grund der Misere in der Anhäufung von Gewinn zur Bildung von Kapital sah.

Die Akkumulation, die Vermehrung des Geldes um des Geldes willen, sei der „Grund dafür, dass immer mehr immer ärmer und immer weniger immer reicher werden.“

Es muss zu denken geben, wenn bei dem täglichen Sprechblasenzirkus in Berlin zum Schluss Sarah Wagenknecht den besten Kommentar abgibt. Sie sagte sinngemäß:

„Erst brechen sie ein und räumen uns die Wohnung leer. Dann geben sie uns Kredite zur Neueinrichtung und jetzt planen sie den nächsten Einbruch.“

Das Ende der Marktwirtschaft?

Unsere Wirtschaftspolitik betreibt Kahlschlag am Mittelstand. Sie vernichtet Arbeitsplätze und fördert Monokulturen durch Konzentrationsdruck. Sie produziert Arbeitslose, und damit zahlungsunfähige Konsumenten. Sie zerstört ihre eigene Existenzgrundlage und die der sozialen Marktwirtschaft.

Schon die Forstwirtschaft musste vor 200 Jahren erkennen, dass nur so viel Holz aus einem Wald geschlagen werden kann wie nachwächst. Wenn die Kaufkraft durch neue Arbeitsplätze nicht „nachwächst“, wird unser Wirtschaftssystem ebenso instabil wie das Ökosystem Wald nach einer Phase des Raubbaus.

Früher verfolgten Unternehmer realwirtschaftliche Ziele. Sie versuchten, Gewinne durch Herstellung und den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen zu erzielen.

Die Gewinnorientierung erfordert meist Billigpreise und niedrige Löhne. Beides ist eine Fehlentwicklung:

Eine soziale und ökologische Marktwirtschaft hat zum Ziel, das Gemeinwohl der Gesellschaft zu sichern und nicht das Gewinnstreben des Einzelnen an erster Stelle zu fördern.

Der Lebensmittelmarkt

Die Krise der Marktwirtschaft ist auch eine Krise des Lebensmittelmarktes. Der Trend ist beängstigend:

  • Globalisierung des Lebensmittelmarktes
  • Konzentration der Food-Konzerne
  • Steigender Preisdruck
  • Verlust an Lebensmittelqualität durch Standard-Richtlinien

Lebensmittel werden in Deutschland zu billig verkauft. Der Grund liegt im Preisdruck des Handels. Fünf Top-Lebensmittelhändler:

  • Edeka-Gruppe
  • Rewe-Gruppe
  • Metro-Gruppe
  • Schwarz-Gruppe
  • Aldi

beherrschen rund drei Viertel des Marktes von 220 Milliarden Euro. Ihre Wettbewerbsstrategie durch Billigpreise üben Druck auf Produzenten aus, die immer mehr Kosten sparen und hochwertige Inhaltsstoffe durch billige ersetzen müssen.

Die Liste der Lebensmittelskandale wird immer länger:

  • 1988: Hormonskandal bei deutscher Kälbermast
  • 1988: Dioxin in Milchtüten aus Karton
  • 1990: Erster dokumentierter BSE-Fall in Deutschland
  • 2006: Gammelfleisch und Falschetikettierung von Wildfleisch
  • 2008: Etikettenschwindel bei Bio-Eiern

Zusammenfassend drei Hauptprobleme:

  • BSE: Tiermehl an Vegetarier
  • Gen-Technik: Unzulässige Eingriffe in Lebewesen
  • Gammelfleisch: Jeder Dreck wird vermarktet

Systemwirtschaft – Zeit für Reformen

Auf der Suche nach Reformen sind die Kirchen. In der christlichen Kirche die ökumenische Bewegung. Ökumene bedeutet im christlichen Sprachgebrauch die Gesamtheit der christlichen Kirchen und ihr Bestreben, gemeinsam zusammenzuarbeiten.

Die jüngste Entwicklung in der Ökumene ist die weltweite Bewegung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

Aufgrund der Bedrohung des menschlichen Überlebens fordert sie eine Umkehr im Denken und Verhalten.

Wir Christen sollten exemplarisch vorleben, worum es geht – um das Allgemeingut der Menschheit:

  • die Luft
  • den Boden
  • das Wasser
  • die Lebensgrundlagen

Sie sind Allgemeingut und sollten ein Menschenrecht sein.

Eine der großen Herausforderungen der Kirche ist die Anerkennung der Begrenztheit der Planeten, und damit ein begrenztes Bevölkerungswachstum.

Raumschiff Erde – begrenzte Besatzung

Auf einem begrenzten Planeten kann es langfristig kein unbegrenztes Wachstum geben.

Drei alternative Überlebensstrategien

Erweiterung: Neue Planeten

Reduzierung: Katastrophen, Seuchen, Krieg

Beschränkung: Begrenzung der Weltbevölkerung, nachhaltige Entwicklung

Wenn wir den Wunsch hegen, die Menschheit möge noch lange Zeit eine lebenswerte Zukunft haben, gibt es keine Alternative zur freiwilligen Begrenzung unserer Ansprüche und der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.

Wir müssen Wachstum als Veränderung verstehen. So wie in der Ökologie muss quantitatives Wachstum im Wechsel mit qualitativem Wachstum zur Veränderung führen.

Immer mehr geht auf Zeit nicht – immer besser geht immer.

Beispiel: Windbruch/Wald

Im Auftrag der Vereinten Nationen, der Weltbank, von 60 Regierungen und internationalen Organisationen suchten über 500 Wissenschaftler aus 86 Ländern vier Jahre lang nach Antworten auf die Frage: Wie können wir die Ernährung sichern und eine gerechte ökologische, ökonomische, nachhaltige Entwicklung fördern?

Der Weltagrarbericht macht Hoffnung:

  • Ernährungssouveränität als Leitbild einer nachhaltigen ökologischen Weltlandwirtschaft
  • Rückeroberung der Unabhängigkeit von Lebensmittelkonzernen, Werbung, Zutatenlisten und Preisknüller
  • Das Gleichgewicht zwischen Globalisierung und regionaler Entwicklung wieder herstellen
  • Wandel von der Mehrwertsteigerung zur Ernährungssicherheit und Abwendung von der industriellen Produktion

Das neue Jahrtausend

Unsere Welt ist nicht mehr die, die sie einmal war. Und sie ist keine Welt mehr mit Einzelproblemen, sondern sie ist eine Welt mit einem Gesamtproblem: Es geht ums Ganze.

Das Motto der 80er Jahre lautete: Global denken – lokal handeln, dass des neuen Jahrhunderts: Lokal denken – global handeln.

Neues Erdverständnis: Erde als Gesamtorganismus

  • Erkenntnisse durch Satellitenaufnahmen
  • Technologien für Erforschung des Zugverhaltens in der Tierwelt
  • Sahara-Sand düngt Regenwald in Brasilien
  • Vulkanausbruch auf Island legt Flugverkehr in Europa lahm

Neues Evolutionsverständnis

  • Verschiebung der Grenzen zwischen Mensch und Natur
  • Tiere sind Mitgeschöpfe – Massentierhaltung ist nicht vertretbar
  • Erkenntnisse der Pflanzenforschung

Darwins Nachfolger erklären diesbezüglich längst neben der Vielfalt des biologischen Lebens auch die Phänomene der Entwicklung der Psyche von Gesellschaften mit evolutionären Gesetzmäßigkeiten.

Es gibt nicht nur die biologische Evolution, sondern auch die geistige Evolution.

Daraus resultiert die Einsicht, dass unser Verhalten nicht bleiben muss wie es ist, sondern dass wir zur Veränderung, auch zu altruistischem Verhalten, fähig sind. Das macht Hoffnung.

Systemwirtschaft – Rückkehr zum menschlichen Maß

Im Kapitalkreislauf der Wirtschaft ist nicht weniger Geld, es liegt nur in weniger Geldschränken.

Die Geldströme sind so zu lenken, dass in einem nachhaltig orientierten Wirtschaftskreislauf die Kaufkraft erhalten bleibt, die wiederum ermöglicht, durch nachhaltige Produkte das Gesamtsystem zu finanzieren.

Ein Wandel in die Richtung wird unvermeidlich sein, denn die Realität der endlichen Erde zwingt die Menschheit zu dem größten Paradigmenwechsel ihrer Geschichte.

Die soziale Marktwirtschaft war ein Fortschritt; sie wurde zum Auslaufmodell.

Unsere Marketing-Marktwirtschaft amerikanischer Prägung entwickelt sich zur globalen Machtwirtschaft, führt zur Konzentration und Gefährdung mittelständischer Strukturen.

Nach jahrzehntelanger falscher Orientierung der Wirtschaft, die primär den Gewinn zum Ziel hat, müssen wir jetzt umschalten von einer Gewinnorientierung zur Überlebensorientierung. Überleben ist wichtiger als Gewinn.

Die Grenzen des Planeten bestimmen die Grenzen des Wirtschaftens:

  • Es gibt kein unbegrenztes Wachstum und
  • keine unbegrenzte Ausbeutung!

Es kommt jetzt darauf an, ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aufzubauen, das sich von der linearen Orientierung abwendet und das Ganze im Auge hat:

  • Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen,
  • eine nachhaltige Orientierung der Wirtschaft,
  • die Schaffung von Arbeitsplätzen und
  • Förderung von Gerechtigkeit.

Eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft im Einklang mit der Natur und zum Vorteil des Menschen muss zum Leitbild des 21. Jahrhunderts werden.

Nachhaltigkeit ist keine publizistische Worthülse, sondern eine handfeste Strategie und muss als unternehmerische Herausforderung verstanden werden.

Wir benötigen eine Rückkehr zum Ursprung, eine Orientierung an den realen Bedürfnissen des Menschen und eine Kehrtwende zur Bescheidenheit, der Bedarfsdeckung in den Grenzen einer nachhaltig orientierten Wirtschaft und Konsumgesellschaft.

Nach einem Wirtschaftswunder in Deutschland sollten wir ein Nachhaltigkeitswunder verfolgen: Vom Reichwerden zum Reichsein.

 

Grundlagen: Systemtheorie

Kommunismus

Entwürfe für eine kommunistische Gesellschaft gibt es seit der Antike (Platon. Christliche Gemeinden).

Die heutige Sichtweise versteht darunter ein gegen den Kapitalismus gerichtetes, zentral gelenktes System mit sozialistischen Zielen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Kapitalismus

Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das auf Grundlage des freien Wettbewerbs und des Strebens nach Kapitalbesitz des Einzelnen besteht.

Kennzeichnend ist der Gegensatz von Kapital und Arbeit, die Macht des Kapitals über die Gesellschaft und die Meinung, „dass der Markt alle Probleme von selbst löst.“

Ökologismus

Entwurf der Neuorientierung eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das sich an den Grenzen des Planeten (Biosphäre) orientiert und von diesem seine Ziele für eine nachhaltige, ganzheitliche Entwicklung ableitet.

Die Endlichkeit der Rohstoffe, die begrenzte Belastbarkeit und Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme werden als Realität vorausgesetzt, um neue Wege für nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln.

Das erfordert eine Kehrtwende des Denkens und die Aufgabe einiger Theorien, eine Rückkehr zum Ursprung als Fortschritt für eine neue Theorie des Wirtschaftens.

Es geht um nicht weniger und nicht mehr als um den dritten Weg in eine lebenswerte Zukunft.

Zu einer so orientierten Wirtschaftstheorie gibt es bisher noch keine Literatur. Die Erarbeitung ihrer Grundlagen wird nicht einfach sein und ist vermutlich eine Jahrhundertaufgabe.

Der längst Weg beginnt jedoch mit dem ersten Schritt. Wenn nicht 5.000 Biobauern, deren Wert ich höher einschätze als den von 50 Dax-Vorständen, zusammen mit den mittelständischen Herstellern der Lebensmittelbranche den ersten Schritt gehen, wer soll ihn dann gehen?

Wir sollten gemeinsam mit dem mittelständischen Handel den vierten Partner gewinnen, der letztendlich das Ganze finanzieren muss: der Konsument.

Zwei Aspekte überzeugen:

  1. Der Wandel wird nicht von der Finanzwirtschaft, den Konzernen und der Politik eingeleitet werden.
  2. Es gibt keine Alternative.

Systemwirtschaft

Nicht neu, doch wenig populär ist das Bemühen von dem „System Natur“ für das „System Wirtschaft“ zu lernen. Prof. Dr. Frederic Vester war Mitinitiator von Pro Natur und hat Ende der 70er Jahre Prinzipien der Natur definiert, die auf die Wirtschaft übertragbar seien. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

1. Das Prinzip Wachstum

Die Natur kennt kein unbegrenztes Wachstum: Bäume wachsen zum Himmel, nicht in den Himmel.

Wachstum muss als Veränderung (Metamorphose) verstanden werden. Qualitatives und quantitatives Wachstum sowie Zeiten der Knappheit wechseln sich ab.

Oberstes Ziel der Veränderung ist immer die Erhaltung des Gesamtsystems Natur (Biosphäre).

2. Das Prinzip Gewinn

Das Überlebensprinzip steht in der Natur höher als das „Gewinnprinzip“. Doch Gewinn im Sinne von Energiereserven anlegen, um über den Winter zu kommen, ist eine Voraussetzung zum Überleben.

Beispiele: Zugvogel. Hamster

Das Gewinnprinzip der Natur (Abschöpfungsquote) ist jedoch auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts (Systemerhaltung) ausgerichtet und nicht darauf, dass eine Art übermäßig profitiert. Es geht immer um das Gleichgewicht zum Vorteil des Systems.

Beispiel Räuber – Beute: Mäuse. Greifvögel.

Aus beiden Naturprinzipien können wir lernen:

Erstens: Ein dauerhaftes Mengenwachstum ist nicht möglich. Das erfordert die Begrenzung und Förderung der qualitativen Wachstums zur Stabilisierung des Gesamtsystems.

Zweitens: Gewinn (Finanzreserven) für alle, auch die bescheidensten Konsumenten, ist eine Voraussetzung für das Gesamtsystem.

Beispiel: Konsumenten in der Natur.

Von der Natur lernen, heißt, überleben lernen. Ihr geht es immer um die Erhaltung des Gesamtsystems, nicht um die Erhaltung von Teilsystemen. Übertragen auf das Gesellschaftssystem bedeutet dies:

Die Erhaltung

  • der Natur (Ökosysteme, Biosphäre) als Lebensgrundlage.
  • unserer Wirtschaft als Einkommensgrundlage für alle.
  • einer nachhaltigen Gesellschaft mit ausreichender Finanzausstattung.

Wir benötigen ein Wirtschaftssystem, das die Erhaltung von Natur, Wirtschaft und Gesellschaft anstrebt.

Der Bioland e.V. als treibende Kraft einer Gemeinschaft von individuellen Unternehmern (5.000 Landwirte), die bodengebunden einen lebensnotwendigen Beitrag leisten, sollte die Pionierposition gemeinsam mit der mittelständischen Lebensmittelwirtschaft und dem Handel besetzen und sich für den Aufbau einer zukunftsfähigen Systemwirtschaft engagieren.

Systemmarke

Die „Marke“, der „Markenartikel“ haben eine lange Geschichte und sicher auch eine Zukunft, wenn eine Neuorientierung erfolgt.

Bioland ist zwar auch eine Marke im klassischen Sinn, sie vertritt jedoch keine alten, überholten Pseudovorteile, sondern neue, notwendige Prinzipien für zukünftiges Wirtschaften. Bioland steht für:

  • die Erhaltung der Natur, z. B. Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserschutz, Artenvielfalt usw.
  • eine naturgemäße Landwirtschaft und artgerechte Tierhaltung
  • rückstandsfreie Produkte, gesunde Ernährung und damit hohe Lebensqualität
  • die an der Natur und den Menschen orientierte Philosophie einer Gemeinschaft verantwortungsbewusster Landwirte

Damit ist Bioland die Pioniermarke für ein innovatives „Systemmarken-Verständnis“.

Bioland steht glaubwürdig und beweisbar für das ganze System: Umwelt. Wirtschaft. Gesellschaft.

Bioland und seine Verbündeten vertreten nicht nur:

  • eine Verbandsmarke,
  • Produktionsmarke oder
  • Produktmarke,

Bioland ist als Systemmarke die glaubwürdige Zukunftsmarke einer Bauerngemeinschaft, eine Wertegemeinschaft in Kooperation mit den mittelständischen Herstellern und dem systemorientierten Handel.

 

Systemmarketing

Der dritte Weg „Ökologismus“, die neue Orientierung zwischen gescheitertem Kommunismus und Kapitalismus, orientiert sich übergeordnet an den Grenzen der Ökologie (Biosphäre). Das bedeutet:

  • Abkehr von der Verschwendungswirtschaft (Marketing) hin zu einer Bedarfsdeckungswirtschaft (Mangelmarketing).
  • ein Wechsel von der Bedürfnisweckung zur Bedürfnisdeckung
  • weg von der Produktion von Massenware zu Billigstpreisen hin zu Qualitätsprodukten mit systemgerechten Preisen

„Systemmarketing“ ist als „Nachhaltigkeitsmarketing“ zu verstehen, als zukünftige Wirtschaftsweise, die die Erhaltung des Gesamtsystems anstrebt und den Konsumenten als Entscheidungspartner mit einbezieht.

Systemkommunikation: Bildungskommunikation

Kommunikation ist eine Lebensvoraussetzung in natürlichen Systemen. Wenn Zellen nicht mehr miteinander kommunizieren, wird das System krank (Krebs). Die Kommunikation im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist deshalb so elementar notwendig wie in natürlichen Systemen.

Die heutige Wirtschaftswerbung strebt im Prinzip keine Kommunikation (Dialog) an, sondern wirbt ausschließlich, um zu verkaufen. Hierbei orientiert sie sich in der Werbung für Produkte des täglichen Konsums eher an breiten Käuferschichten mit niedrigerem Bildungsniveau.

Mit dieser Zielgruppenorientierung wird die Niveaulosigkeit der Werbung  begründet: Der Kunde will es so.

Die Verantwortung für die Steuerung des Konsums durch Werbung liegt jedoch nicht beim Abnehmer, sondern beim Anbieter. In einem komplexen Markt mit einer ständigen Produktion neuer Produkte ist der Konsument nicht mehr in der Lage, sich zu informieren.

Auch hierfür einen zukunftsweisenden Weg zu gehen, ist Bioland in Zusammenarbeit mit mittelständischen Herstellern und dem Handel in der Lage.

Bildungskommunikation: Wissen ist der erste Rohstoff, der sich bei Gebrauch vermehrt

(Brandeins 11/09)

Unser Vorstellungsbild von Lebensmitteln ist idyllisch. Die Werbung prägt diese Illusion. Die Eier legen freilaufende Hühner, die Kühe stehen auf der Weide und die Premium-Schokolade wird von Konditoren im Kupferkessel angerührt.

Tatsächlich kauft der Verbraucher nach Scheinwelten. Die Werbung wurde teilweise wichtiger als das Produkt. Sie hat jedoch häufig sehr wenig mit der Realität zu tun.

Für die Bewerbung von Bioprodukten ist es notwendig, ein neues Bewusstsein für die Qualität von Nahrungsmitteln und die Ernährung aufzubauen. Ernährung muss als ganzheitlicher Prozess verstanden werden.

Lebensmittel sind Vertrauensgüter und ihre Qualität kann vom Verbraucher kaum zufriedenstellend überprüft werden. Der Markt ist deshalb ein moralischer Markt und muss den Verbraucher schützen.

Paradigmenwechsel Systemwirtschaft

Hierzu gehört Aufklärung, ein neuer, innovativer Weg in der Wirtschaftswerbung, eine vom Lebensmittel-Mittelstand finanzierte Bildungskommunikation, die:

  • aufklärt statt verdummt
  • informiert statt vertuscht
  • Zusammenhänge verdeutlicht statt vereinfacht

Bildungskommunikation ist eine Aufgabe, die alle in der Biobranche betrifft. Dabei geht es zu Beginn nicht um breite Massen, sondern um die Elite. Sie wird vorausgehen und die Zukunft gestalten. Das setzt jedoch voraus:

  • eine hohe Bildung
  • einen gesicherten Wohlstand

Ohne Bildung und gesicherten Wohlstand, d. h. ein gesichertes Einkommen bleiben die Forderungen Theorie.

So lange der Mensch ein Naturwesen war, reichte sein Kleinhirn zur Bewährung des Überlebens aus. Heute stößt es in einer komplexen Welt der Wirkungszusammenhänge an seine Grenzen.

Unsere Vorstellungen sind in einer Welt verwurzelt, die so nicht mehr existiert. Wir müssen das Leben neu lernen, und das gilt nicht nur für Schüler und Lehrer, sondern für alle.

Die Fähigkeit, dies zu tun, wird über unsere Zukunft entscheiden. Wir stehen deshalb vor einer intellektuellen revolutionären Herausforderung, die entscheidet, ob wir lernen können, unser Schicksal zu lenken.

Schulen müssen zu Werkstätten der Einsicht und Weltverbesserung werden.

Bei der derzeitigen nationalen und internationalen politischen Elite habe ich jedoch wenig Hoffnung auf eine entsprechende Reform.

Ich setze deshalb mehr auf außerstaatliche Initiativen ür eine Bildung zur nachhaltigen Zukunftsgestaltung: Ich setze auf den ökologischen Landbau, die mittelständischen Lebensmittelhersteller, auf den Handel und letztendlich – und darum geht es hier – auf den aufgeklärten, kaufkräftigen Konsumenten.

Die Biobranche ist geeignet, und auch verpflichtet, vorauszugehen und zu beweisen, dass der Weg für eine nachhaltige Entwicklung unter Einbindung eines wissenden Konsumenten möglich ist.

Weder die Politik, noch die Wirtschaft oder die Kirche werden den Willen und die Entschiedenheit aufbringen, eine Bildungskommunikation auszulösen, die letztendlich ihre eigene Existenz in der jetzigen Form in Frage stellt.

Die Revolution wird nicht von oben kommen, sondern von unten: vom Acker.

Was können wir tun?

Systemwirtschaft: Regionalisierung der Strukturen – Globalisierung der Nachhaltigkeit

Mitte der 70er Jahre hat eine Gruppe von Wissenschaftlern in den Vereinigten Staaten die Vision von einer Welt der Regionen entworfen. Ein wichtiger, weltgesellschaftlicher Orientierungsrahmen, der jedoch in Vergessenheit geriet:

  • Modell 1000 Regionen
  • 10 Mio. Menschen pro Region
  • Globale Demokratie
  • Nachhaltige Entwicklung

Die Vision einer politisch positiv gestalteten Globalisierung durch die Entwicklung der Regionen, jenseits der machtorientierten Imperialismus-Interessen könnte Hoffnung machen für mehr:

  • Kompetenz für die Vereinten Nationen
  • Mitbestimmung von Regionen
  • Weiterentwicklung der Menschenrechte
  • Weltumspannende Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung

In den letzten Jahren stellte sich zunehmend heraus, dass die Probleme der Gesellschaft und Wirtschaft zunehmend Weltprobleme sind. Staatsgrenzen entlarven sich als Grenzen der Macht und Wunden der Geschichte. Sie sind nicht überflüssig, haben jedoch nicht mehr die frühere Bedeutung.

Wichtiger wird der Aufbau der Regionen, die konsequent mit Ökologie und soziologisch angepasster Orientierung nachhaltige Konzepte verfolgen.

Oberste Ziele sind:

  • Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
  • Nachhaltiges globales Wirtschaften
  • Schaffung von Arbeitsplätzen
  • Förderung der Gerechtigkeit

Gründung: United Regions Stiftung. United Regions e.V.

Was einer nicht schafft, fällt vielen leicht

„Sie wollten wegen der Kälte zusammenkriechen, doch sie konnten es wegen der Stacheln nicht.“ (Parabel Schopenhauer)

Wir brauchen

  • gemeinsame Forschung und Gutachten,
  • unternehmenübergreifende Medien und Publikationen,
  • Gründung eines Pressezentrums für nachhaltige Entwicklung zur Schulung von Journalisten und kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Presse,
  • die Herausgabe einer gemeinsamen Nachhaltigkeits-Zeitschrift der Branche (Beispiel „natur“),
  • die Realisation von ökologisch und nachhaltig orientierten Modellprojekten.

Keine Angst vor der Zukunft: Die Titanic wurde von Fachleuten gebaut, die Arche Noah von Laien.

Rudolf L. Schreiber

Mai 2010