Ökologische Aspekte im Marketing – „Adams zweiter Apfel“ –
von Rudolf L. Schreiber, vorgetragen anläßlich der BDW Bundestagung 1976, Frankfurt/Main


Vorwort

Das Design müsse sich seiner eigentlichen Schlüsselposition bewusst werden und ökologische Aspekte im Marketing Alltag werden. Einer Position der multilateralen Information, die das Problem der zukünftigen Umweltgestaltung in den Griff bekommen muß. Denn diese sei von einer ästhetischen zu einer Überlebensaufgabe geworden. – So etwa lautete der Appell, den ich 1972 auf der Mitgliederversammlung des VDI in München als Herausforderung eines Biologen an das „Design für eine Umwelt des Überlebens“ stellte. Damit begann ein immer engerer Kontakt meines Instituts, der Studiengruppe für Biologie und Umwelt, mit dieser Berufsgruppe und mit ICSID, ihrer internationalen Dachorganisation.

Ein Kontakt, der schließlich vor wenigen Monaten in Mailand in die Gründung einer eigenen Bio Design Group mündete, die unser innerstes Wesen und damit das Wesen biologischer Vorgänge aufs Neue mit der Gestaltung unseres Lebensraumes in Einklang bringen will. Es ist beglückend für mich zu beobachten, wie viele der in diesen Jahren gesteckten Samen aufgegangen sind. Wer in Fachbereichen denkt, wird jedoch sicher noch vieles von dem, was hier ein „Outsider“ nahebrachte eher als einen vielleicht unbeholfenen Einbruch einer fremden Disziplin in die Welt des Designs ansehen.

Zum Vortragenden:

Mit dem Entschluß von Rudolf L. Schreiber, sich nunmehr auch als Insider von der herkömmlichen Aufgabe von Werbung und Design loszulösen, den Sprung ins Wasser zu wagen und sich mit seiner Gruppe den ökologischen Aspekten im Marketing anzunehmen, ist ein weiterer Schritt geschehen, der sozusagen ein neues Bewußtsein der Kommunikationsfachleute selbst manifestiert. Und es scheint mir, als ob mit dem hier vorliegenden Vortrag ein echter Durchbruch gelungen sei. Ein Durchbruch deshalb, weil er aus den eigenen Reihen kommt, weil er nicht nur die passive Akklamation der durch einen interdisziplinär zustande gekommenen Gedanken bedeutet, sondern ein aktives Erarbeiten des neuen Selbstverständnisses.

Es geht in der Tat um ein Verlassen der bisherigen Einbahnstraßen, jener One-way-communications vom Auftraggeber über den Gestalter und Werbefachmann auf den Verbraucher, der oft nur als Target, als Zielgruppe studiert wurde. Es geht darum, diese Tätigkeit in ein Feedback-Geschehen umzuwandeln und die großartigen Kapazitäten dieses Berufs unter Einbeziehung von Erkenntnissen über die Grundgesetze überlebensfähiger Systeme nicht nur auf den Bürger, sondern auch auf den Auftraggeber anzusetzen. Die Kommunikationsberater haben die Chance, über eine neue, in Richtung auf jenes Fernziel ausgerichtete Aufklärung und Umwerburtg in der Tat bei beiden zu langfristig sinnvolleren Wünschen zu führen.

Ich bin sicher, daß mit seiner Einsicht – aber auch mit der starken Kraft, mit der er diese Einsicht vertritt – Rudolf L. Schreiber hier nicht nur eine schöne Theorie, sondern einen praktischen Weg gezeigt hat, der nicht zuletzt auch den in den letzten 20 Jahren immer mehr eingeschlafenen Pioniergeist unseres Unternehmertums erneut zu wecken imstande ist.

Frederic Vester


Ökologische Aspekte im Marketing – „Adams zweiter Apfel“

1. Ein Wort an Kollegen

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein guter Freund hat mir anläßlich dieses Vortrages einen Spruch zugeschickt, der wert ist, erwähnt zu werden.

„4.000 Ameisen jagen einen Elefanten. Sie erklettern das große Tier. Der Elefant schüttelt sich einmal – 2.000 Ameisen fallen herunter. Er schüttelt sich noch einmal – 1.999 Ameisen fallen herunter. Darauf die 3.999 Ameisen im Chor: Rudi, erwürg‘ ihn!“

Die Anspielung ist angekommen. Trotzdem habe ich mich entschlossen, den Vortrag in der Form zu halten, wie ich ihn für richtig finde.

Denn ich stehe hier, um Mitstreiter aus Ihren Reihen zu gewinnen, und das geht bestimmt nicht dadurch, daß ich Erkenntnisse verheimliche, Tatsachen beschwichtige und Ihnen nach dem Mund rede.

Die Fakten sind zu bedeutend – die Herausforderung zu ernst,die Verantwortung zu groß. Sie müssen sie mittragen. Wir können uns in der Zukunft keine Ignoranten und Lügner mehr leisten.

Ich habe 45 Minuten Zeit. Zu wenig, um in die Tiefe zu gehen – aber ich hoffe genug Zeit, um Sie zu überzeugen von:

  1. der Notwendigkeit, Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen,
  2. einer daraus resultierenden Kurskorrektur im Marketing,
  3. einem neuen Selbstverständnis, einer neuen Position der Werbung.

Wir haben mit allen Mitteln jahrzehntelang zur Sünde verführt. Das war leicht. Jetzt heißt es, unsere Grenzen erkennend, die Gebote bewerben.Das ist schwer.

Ich hoffe, Sie lassen mich in meinem Kampf für ein System im Gleichgewicht, einer Vermittlung zwischen Ökologie und Ökonomie, nicht allein.

2. Die ökologischen Herausforderungen

Während ich diesen Satz spreche, werden auf der Erde 7 Menschen geboren und 5 sterben. Jeden Tag nimmt die Weltbevölkerung um rß. 175.000 – jedes Jahr um ca. 63 Mio. Menschen – zu. Für das Jahr 2000 wird eine Weltbevölkerung von 7,4 Milliarden vorausgesagt.

Heute hat bereits die Hälfte der Menschen keine ausreichende Nahrung. An den Auswirkungen des Hungers sterben jährlich rd. 10 Mio. Doch auch diese Katastrophe kann das Wachstum nicht aufhalten. „Die Menschheit wächst nicht mehr länger, sie explodiert“ (1). Doch der Raum zum Leben, die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, Tiere und Pflanzen sowie die Rohstoffe der Erde nehmen rapide ab.

Bilanzen

Jährlich stirbt eine Tierart aus. Mehrere 100 sind vom Aussterben bedroht. Heute sind in der BRD rd. 50 % der Vogelarten bedroht.

Tausende von Pflanzen stehen vor der Ausrottung; 30.000 Arten sind in Gefahr. Sie halten der Belastung durch Herbizide, Abgase und Abwasser nicht länger stand (2).

Unser Land wird knapp. Für Städte, Straßen und Industriebauten verlieren wir jährlich eine Fläche von der Größe des Bodensees.

7.000 ha Waldfläche werden seit 1950 jährlich abgeholzt. Die Folgen sind verheerend: Das Grundwasser geht zurück, die Erosion nimmt zu (10% unserer landwirtschaftlichen Nutzflächen sind gefährdet). Die klimatischen Verhältnisse verändern sich (3).

Das Meer – der wichtigste Nahrungsspender der Menschheit – wird zum Mülleimer der Welt. Durch die Aufnahme von Industriegiften sind Nutzfische, Krebse, Muscheln und andere Wirbellose bereits ungenießbar geworden. Die Zucht von Meerestieren ist in vielen Gebieten bereits nicht mehr möglich (4).

Wer wöchentlich 2 kg Fisch verzehrt, durch riskiert Erblindung oder langsamen Tod Quecksilbervergiftung. Wer 300 Gramm ißt, ebenfalls – nur über einen längeren Zeitraum (5).

Forscher befürchten, daß das Baden an bestimmten Stränden nicht mehr möglich sein wird. Die Ölpest nimmt zu. Jährlich gelangen ca. 9 Mio. Tonnen Öl ins Meer. Ab 1985 werden es ca. 14 Mio. Tonnen sein (6).

Wasser wird Mangelware

Das Grundwasser ·reicht nicht mehr aus. In zunehmendem Maße muß Oberflächenwasser benutzt werden.

Was wir vielerorts trinken, ist schon lange kein reines Wasser mehr, sondern ein schlechter Cocktail: Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Fluoride, Nitride, Sulfide, Quecksilber, Öl, Phosphate und radioaktive Stoffe ergeben die Mischung; bisher wurden ca. 250 verschiedene chemische Stoffe im Trinkwasser entdeckt. Der Rhein führt etwa 480 Mio. Tonnen Giftstoffe mit sich. Aber aus dem Rhein wird für ca. 20 Mio. Menschen Trinkwasser gewonnen. In manchen Gebieten der Bundesrepublik läuft das Wasser 6 – 10mal durch den menschlichen Körper (7).

Und wie ist es mit dem Regen? Er wird nicht besser – er wird säurehaltiger. Das wirkt sich auf Seen und Flüsse aus. Der ph-Wert der Gewässer sinkt, der Fischbestand geht zurück. Selbst in Gewässern Norwegens haben Lachse aufgehört zu laichen (8).

Mit der Luft steht es nicht besser. Sie geht uns aus. 200 Mio. Tonnen Kohlenmonoxyd (Co), 80 Millionen Tonnen Schwefeloxyd (so2) und 10 Mio. stickstoffhaltige Gase (NO, N02) vergiften jährlich den Luftraum unserer Erde. Die Anreicherung von Abgas-Staub-Gemischen führt zur Abschwächung der Sonneneinstrahlung. Pflanzenwuchs wird beeinträchtigt. Bei Smogbildung ist der Mensch in Gefahr. Rachitis, Atembeschwerden, Bronchialerkrankungen und Stoffwechselstörungen sind die Folge (9).

Der Ozonschild in 20 km Höhe wird laufend reduziert. Die ultraviolette Strahlung der Sonne wird aggressiver und löst Krankheiten aus. 10 % minus bedeutet z.B. 20 % mehr Hautkrebs. 300 Überschallflugzeuge reichen aus, um das zu erreichen (10).

Sie tragen mit dazu bei wie die Treibgase der Sprays. Mit jeder Dose wird Treibgas frei, steigt auf und zerstört den Ozongürtel der Erde. Das ist eine der Gefahren aus den Dosen, die täglich verkauft werden in Form von Haarsprays, Schraubenlösern, Christbaumschnee, Wundverbänden, Intimpflegemitteln, Unkrautvernichtungsmitteln und v.m. Etwa 3 Milliarden Dosen jährlich in den USA – ca. 400 Mio. in der BRD.

Während des Sprühvorganges werden die Benutzer gefährdet. Aerosole können mit schädlichen Wirkstoffen in die Lunge und somit ins Blut gelangen. Eine Untersuchung in USA ergab, daß rd. 39 % der regelmäßigen Benutzer unter Atembeschwerden leiden. Zellveränderungen treten auf, die Krebs fördern. Todesfälle wurden bereits festgestellt (11).

Ursachen

Nun könnten Sie sagen, daß Sie weder die weltweite noch die nationale ökologische Problematik oder das Haarspray Ihrer Frau interessieren. Sie finden das alles nicht so schlimm. Solange Sie noch eine anständige Kalbshaxe auf den Teller bekommen, ist die Welt in Ordnung.

Wenn Sie so denken, machen Sie die Rechnung ohne den Giftmischer der Nation: die Landwirtschaft.

36 % der landwirtschaftlichen Fläche werden mit Chemikalien gegen Unkraut behandelt; 5 % gegen Schädlinge. Die Chemie sichert ertragreiche Ernten – ist aber zugleich eine Gefahr für den Menschen. 1600 verschiedene chemikalische Mittel bietet die Industrie an. Welcher Bauer kann dieses Angebot überblicken?

Der Düngemittelverbrauch wird bis 1980 um 20 % steigen, der der Pflanzenschutzmittel um 40 % (12).

Weiter gehts bei der Tierhaltung. Antibiotika werden dem Tierfutter beigemischt oder direkt gespritzt. Aus zwei Gründen:

– Die Wirkstoffe fördern das Wachstum und eine höhere Ausbeute bei der Mast von Kälbern, Schweinen und Geflügel;

– sie beugen Infektionskrankheiten vor.

Zusätzlich werden Vitaminpräparate, Hormone und Tranquilizer verabreicht.Insgesamt ein beeindruckendes Arsenal.

Ein beispielhaftes Ergebnis: Rund 70 % des Kalbfleisches enthält Rückstände von Antibiotika (13).

Der Verbraucher in der westlichen Welt ist durchschnittlich 10000 Chemikalien ausgesetzt. Wenn Sie genau wüßten, wieviel Sie im Laufe eines Jahres konsumieren (etwa 2 kg:Bleichmittel, Geschmacksstoffe, Farbstoffe, Süßstoffe, Konservierungsmittel, Pestizide, Desinfektionsmittel etc.) und welche gesundheitlichen Schäden Sie über kurz oder lang dadurch erreichen, würden Sie wegen Ihrer höchst eigenen „Umweltverschmutzung“ auf die Barrikaden gehen – aber Sie wissen es nicht. Ein bißchen müde; ein bißchen depressiv; ein wenig unkonzentriert. Der Arzt sagt: Vegetative Dystonie. Und wer hat das nicht heute?

Die Wissenschaft weiß es auch nicht genau. Nur ein Bruchteil der Substanzen ist bis heute untersucht worden. Kenntnisse über die kombiniert Wirkung fehlen fast völlig. Die wenigen Ergebnisse widersprechen sich oft (14).

Blick nach vorne!

Die Aufzählung der Probleme ließe sich beliebig fortsetzen. Doch möchte ich nicht die Apokalypse heraufbeschwören, sondern das Gegenteil – die Hoffnung wecken, daß wir sie verhindern können:

Durch praktische Umsetzung ökologischer Erkenntnisse und aktive Mitarbeit, denn wir können nicht die Verantwortung auf die Regierung oder die Industrie oder sonstwen abwälzen. Jetzt ist jeder einzelne gefordert:

– Denn die Regierung ist überfordert. Umweltschutzbedürfnisse stehen oft konträr – oder man bildet es sich wenigstens ein – zu den politischen Zielen oder denen des Wirtschaftswachstums. Außerdem hat man den Eindruck, daß die nächste Wahl wichtiger ist als die nächste Generation.

– Der Industrie fehlen ökonomisch-ökologische Zielvorstellungen.Kurzfristplanungen und falsche Ziele verhindern das Erkennen einer sinnvollen Langzeitökonomie. Man erkennt nicht, daß Umweltschützer nicht nur an der Stabilität des Naturhaushaltes, sondern an der damit in Zusammenhang stehenden Stabilität des Staatshaushaltes interessiert sind. Es sind die Denkblockaden, die verhindern, daß man zusammenkommt.

– Die Wissenschaft hat zum großen Teil den Überblick verloren. Lineare, fachorientierte Forschung anstatt interdisziplinäre Forschung überwiegt immer noch. Da weiß oft die linke Hand nicht, was die rechte tut.

– Der Öffentlichkeit ist der Ernst der Lage nicht bewußt. Umweltschutz ist immer noch „Papier im Park aufheben“ und manchmal „eine Giftbombe im Müll“.

Und die Berater – die Innovatoren unseres Systems? Sie geht Umweltschutz nichts an. Das ist nicht ihre Disziplin. Die Hauptsache, der Kunde ist glücklich und „die Kampagne kommt an“. Doch ich finde, daß gerade unsere Berufsgruppe sich der Verantwortung bewußt werden muß. Oder man wird die Frage an uns stellen, wie lange wir noch verantworten wollen, der Gesellschaft Produkte anzubieten:

  • die durch den Einsatz von Chemikalien immer mehr Giftstoffe,
  • durch spezielle Produktionsverfahren immer weniger essentielle Nährstoffe enthalten,
  • die durch aufwendige Verpackung den Energieverbrauch fördern und die Mülllawine vergrößern,
  • welche durch immer mehr Scheinbequemlichkeit Bewegungsarmut und Streß forcieren,
  • die durch ihre vernetzten Auswirkungen mit dazu beitragen, Tiere und. Pflanzen zu vernichten, uns den Raum zum Leben, die Luft zum Atmen und das Wasser zum Trinken zu nehmen.

Wie lange noch? was muß noch passieren, bis Sie endlich wach werden?

3. Die ökonomischen Folgen

Was sich heute weltweit abzeichnet, ist nicht damit abzutun, daß es sich um eine vorübergehende Wirtschaftskrise handelt. Wir befinden uns nicht in einer Talsohle, sondern erleben eine tiefgreifende wirtschaftliche Veränderung, die sich nicht im Rahmen der konventionellen Ökonomie- und Wirtschaftslehre verstehen läßt.

Das wirtschaftliche Verhalten der Menschheit erhält nämlich seine Direktiven von der Ökonomie der Welt, an die es sich anzupassen hat. Doch wir praktizieren eine schizophrene Ökonomie, die den Kontakt zur Realität und zu den Gesamtzusammenhängen verloren hat.

Wir beuten die Natur aus.Wir leben nicht von ihren Überschüssen,den „Zinsen“, sondern von ihrer Substanz. Wir vermindern das „Kapital“! Der Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe sowie die Schädigung der ökologischen Ordnung bedeutet die Zerstörung menschlicher Daseinsgrundlagen. Ein solches vorgehen muß zwangsläufig zum Untergang, zum Konkurs führen.

Die Ursachen dieser Entwicklung sind vielfältig und kompliziert. Unsere alten Mechanismen der wirtschaftlichen Steuerung funktionieren nicht mehr. Die von uns geschaffenen Institutionen bzw.der Apparat, dem wir uns anvertrauen, sind der Situation nicht gewachsen. Der Devisenmarkt, der Arbeitsmarkt, die Rohstoffmärkte … , welche haben wir denn wirklich noch unter Kontrolle?

Wir müssen erkennen, daß wir uns im Übergang zu einem höheren System befinden, einem System, in dem die Vernetzung der Subsysteme eine entscheidende Rolle spielt. Diese Erkenntnis wird lebensnotwendig sein.

Es ist essentiell, dass wir den Sprung aus der „Froschperspektive“ vornehmen und versuchen, aus unseren disziplinären Funktionen heraus interdisziplinär tätig zu werden, denn die wirtschaftlichen, politischen und technologischen Entscheidungen im heutigen Staat beeinflussen nämlich nicht nur im allgemeinen das Fortbestehen einer Firma, der Industrie oder eines Industriezweiges, sondern sie greifen mit ihren sozialen und ökologischen Auswirkungen in die gesamte Ordnung unseres Fortbestehens ein.

Verantwortung

Es liegt deshalb in der Verantwortung jedes einzelnen, der in den Entscheidungsprozeß mit eingreifen kann, diese Entscheidungen in sinnvoller, gesamtökologischer Sicht zu beeinflussen.

Wir können die Verantwortung nicht weiterschieben an andere, und es hat keinen Sinn, hierfür einzelne Gruppen verantwortlich zu machen. Die Regierung kann diese Aufgabe, die auf uns zukommt, nicht allein übernehmen. Denn das politische Subsystem wird allzusehr vom wirtschaftlichen Bereich bestimmt und zu wenig von übergeordneten Zielen. Die Ursache unserer Umweltkrise liegt jedoch gerade in der tiefen Disharmonie der Subsysteme.

Der ökonomisch-technische Bereich ist zu stark betont; der ökologisch-kulturelle zu schwach.

Diese Erkenntnis ist nur schwer „an den Mann“ zu bringen. Es heißt nämlich: Schluß zu machen mit falschen Vorstellungen und mit unserem blinden Zukunftsglauben. Es heißt, gründlich mit den Irrtümern aufzuräumen, die Dr. Gruhl in seinem Buch „Ein Planet wird geplündert“ wie folgt aufführt:

Der Irrtum

  • zu glauben, die Welt sei unendlich;
  • über allem menschlichen Wirtschaften walte eine unsichtbare Hand;
  • dass die größere Zahl und Menge stets besser ist als die kleine;
  • der Mensch verfüge über unbegrenzte Möglichkeiten;
  • dass Wissenschaft und Technik immer dem Fortschitt dienen (15).

Wenn wir nicht wollen, daß unsere technische Zivilisation an den von der Natur bestimmten Grenzen scheitert, dann können wir nicht auf dem bisher verfolgten Kurs weiterfahren,sondern müssen ein stabiles System im Gleichgewicht unter Berücksichtigung der ökologischen Grunderfordernisse ansteuern.

Wenn sich diese Erkenntnis auch noch nicht durchgesetzt hat, da der Begriff der Expansion zu einer intellektuellen Blockade geführt hat, so ist uns dieser Kurs doch vorgeschrieben, da ein Fortsetzen der gegenwärtigen Tendenzen in der Wirtschaftsentwicklung bedeuten würde:

– dass die natürlichen Rohstoffquellen noch schneller ausgebeutet werden würden,

– und die ökologische Beeinträchtigung der Umwelt zu katastrophalen Folgen führen würde, wenn nicht zum Kollaps.

Im Gegensatz zu unseren wirtschaftlichen Zielen der Nachkriegsperiode, die Bevölkerung schnellstens mit Produkten zu versorgen und hierfür alle Instrumentarien der „Freien Marktwirtschaft“ einzusetzen, die Expansion und Massenproduktion förderten, stehen wir heute vor einer neuen Entwicklungsstufe mit neuen Zielsetzungen.

Von der Wiederaufbauphase sind wir in eine Saturationsphase (16) eingetreten. Jetzt kommt es darauf an, die vielseitig verflochtenen ökologisch-ökonomischen Probleme zu bewältigen.

Neue Vorgaben

Wir müssen:

  • Produktion und Konsumtion ökologisch sanieren;
  • umweltbelastenden Energie- und Rohstoffverbrauch bekämpfen;
  • von der Quantität zur Qualität übergehen, der Verschwendung Einhalt gebieten;
  • für geschlossene Kreisläufe sorgen, das heißt, Wiederverwendung wo immer möglich;
  • Schädliches durch weniger Schädliches ersetzen (das Bessere ist der Feind des Guten);
  • die Führungsschicht sowie die Öffentlichkeit über die ökologisch tragbaren und möglichen Entwicklungsvorgänge aufklären, damit ökologisches Verantwortungsbewußtsein geweckt wird und die zukünftigen Maßnahmen akzeptiert werden, ohne daß es zu einer Revolution kommt.

„Adams zweiter Apfel“ ist sauer, aber nicht schlecht. Es werden Restriktionen auf uns zukommen, aber die neuen Möglichkeiten innovativer, schöpferischer Tätigkeiten werden überwiegen.

Eines steht fest: Auch wenn wir noch nach den Richtlinien einer überholten Wirtschaftslehre handeln, der Konflikt ist ausgebrochen. Wir bewegen uns von der Linie zum Kreis. Lineare Zuwachsraten verlieren ihre magische Bedeutung, und wenn die realen Möglichkeiten eines Wirtschaftssystems im ökologischen Gleichgewicht mit der klaren Zielsetzung einer Langzeitökonomie erst einmal erkannt werden, dann werden wir auch die jetzige Wirtschaftsdepression erfolgreich überwinden.

4. Aspekte des Wandels

Wie wird die zukünftige Entwicklung verlaufen? Wird die nachindustrielle Gesellschaft auf das „Neandertalerniveau“ hinabsteigen? Nein!

Ein „Zurück zur Natur“ ist ebenso unrealistisch wie weiteres lineares Wachstum. Würden wir unsere heutigen zivilisatorischen Errungenschaften aufgeben, so würde der Zusammenbruch unseres Systems unweigerlich folgen. Umweltschutz ist eben nicht nur Naturschutz, sondern wesentlich mehr (17). Eigentlich ist das Wort Umweltschutz in diesem Zusammenhang schon verkehrt.

So unrealistisch wie „Zurück zur Natur“, so unrealistisch ist die Alternative „Weiter wie bisher“. Die Vergewaltigung des ökologischen Systems einschließlich aller Belastungen für den Menschen durch Technik und Chemie hat ihren Höhepunkt erreicht. Eine weitere Belastung würde unweigerlich zum Zusammenbruch des biologischen Gleichgewichts unserer Erde führen (17).

Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, ist die Alternative eines „Systems im Gleichgewicht“. Dr. Vester von der Studiengruppe für Biologie und Umwelt, München, spricht vom Übergang unseres Systems auf ein System des kybernetischen Wirtschaftens. Nach seiner Auffassung müssen wir in längeren Zeiträumen planen und die Auswirkungen unseres Handelns mit in die Planungen einbeziehen.

Unsere Technologie muß sich im Gleichgewicht mit der Umwelt befinden.

Diese Zielsetzung erfordert eine Koordination von privatwirtschaftlichen und staatlichen Interessen.Es bedeutet auf keinen Fall, daß privatwirtschaftliche Aktivitäten zu drosseln sind und schon ganz und gar nicht bedeutet es, daß Umweltschutz fortschrittsfeindlich ist. Unser Fortschritt ist lediglich auf einer anderen Ebene zu suchen – einer Ebene des System- und Ganzheitsdenkens, wie es Grass sagt.

Im Trend?

Umweltschutz ist auch keine Modewelle, wie oft behauptet wird, sondern eine grundsätzliche, notwendige Forderung. Diese Erkenntnis wird langsam breitesten Bevölkerungskreisen bewußt und wirkt sich auf das Kaufverhalten aus. Zielgruppenuntersuchungen in Kanada ergaben,daß sich unter der Gesamtverbraucherschaft Zielgruppen herauskristallisieren, die eine negative Einstellung zu umweltschädlichen Produkten entwickeln. Ausführliche Analysen aus den Vereinigten Staaten liegen vor. Die erwarteten Veränderungen der Tendenzen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Schnelle Produktveralterung wird zunehmend abgelehnt; unnötiges Dekor und Design verurteilt.
  • Längere Haltbarkeit, Brauchbarkeit und Funktionalität der Produkte wird gewünscht.
  • Man bevorzugt einfachere, unkomplizierte Produkte (das fängt bei technischen Geräten an und hört beim Versicherungsvertrag auf, den man – verdammt noch mal – wieder verstehen möchte).
  • Produktion und Handel wird mehr Konsumskepsis entgegengebracht; mangelhafte Produkte werden zunehmend abgelehnt.
  • Durch steigende Bildung werden solidere Ansprüche gestellt; eine höhere Bewertung gesunder Umwelt findet statt.

Konsumgewohnheiten ändern sich erfahrungsgemäß zwar nur langfristig, aber wenn ein echter Bedarf dahintersteht, um so gründlicher, und ich glaube, daß die Menschen heute in zunehmendem Maße einen elementaren Bedarf nach einer intakten Umwelt haben.

Der Trend zu umweltfreundlichen Produkten wird unweigerlich kommen. Er wird die Produkte unserer Wegwerfgesellschaft von der Seifenverpackung bis zum Auto verändern. Produkte, die weniger verpestend, dauerhafter und gesünder sein werden, werden an Vorrang gewinnen.

4.1 Öko-Marketing. Die neue Dimension.

Die auslösenden Faktoren des Wandels können und dürfen jedoch nicht nur vom Verbraucher her kommen.

Das Marketing selbst muß sich verändern; sich seiner steuernden und verantwortungsvollen Funktion bewußt werden und die Veränderung auslösen.

Die Innovation muß von oben gesteuert werden. Marketing darf die Verantwortung nicht mehr auf die Masse abwälzen mit der Begründung: Der Verbraucher will es so.

Der Verbraucher ist sich der ökologischen Verantwortung nicht bewußt. Er nimmt zum großen Teil, was ihm angeboten und aufgeschwatzt wird. Folglich muß sich das Angebot ändern. Es geht nicht mehr darum, durch Massenabsatz Produkte zu möglichst billigen Preisen auf den Markt zu bringen. Das war in der Endphase des verstärkten Wettbewerbs vonnöten. Modernes Marketing muß sich an den ökologischen Problemen orientieren und hierfür ökologisch-ökonomisch sinnvolle Problemlösungen und Produkte anbieten. Das heißt, bei der Planung und Entwicklung müssen Fragen gestellt werden wie:

– Ist das Produkt wirklich notwendig?

– Ist das neue Produkt ökologisch vertretbar?

– Sind die Kosten und Systembelastungen des Produktes gesamtgesellschaftlich zu vertreten?

– wenn ja, wie kann optimal Energie und Material eingespart oder in den Kreislauf zurückgeführt werden?

Marketing-Management darf folglich nicht mehr im Sinne eines quantifizierten Expansionsdenkens praktiziert werden. Das klingt sehr extrem – ist es vielleicht auch, aber es ist der einzige Weg.

Man sollte deswegen am besten alle alten Marketingdefinitionen vergessen. Lineares Denken wird durch Kreis- oder Systemdenken abgelöst. Klassische Management-Lehren werden durch kybernetische Managementlehren ersetzt. Marketing von morgen wird ökologisch orientiert sein und muß interdisziplinär praktiziert werden.Alle Bereiche sozialer, wirtschaftlicher und umweltbezogener Entwicklungen sind mit einzubeziehen.Die Folgeprobleme bestimmter Problemlösungen, die gleichfalls einer Lösung bedürfen, müssen mit einkalkuliert werden. Das heißt, auf allen Ebenen unseres Wirtschaftens und Handelns werden wir zu einer ve netzten, interdisziplinären, Denk- und Arbeitsweise übergehen müssen. Wir stehen vor einer Revolution, und es ist höchste Zeit, daß wir diese erfassen.

4.2 Neue Aufgaben der Forschung (18)

Marktforschung, wie sie heute zum großen Teil noch betrieben wird, hat sich in den letzten Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufstiegs entwickelt. Die Aufgabenstellungen waren dementsprechend vorwiegend absatzorientiert. Das wird sich ändern! Im Zusammenhang mit der Energie- und Umweltentwicklung kommen neue Aufgaben auf die Forschung zu, auf die sie sich einstellen muß.

Die Rohstoffknappheit zwingt zum Umdenken. Dem Management müssen künftig Entscheidungsunterlagen für neue Märkte, ökologische Bilanzen, Energiebilanzen und Möglichkeiten über die Rückführung von Produkten in den Produktionskreislauf geliefert werden. Die neuen Aufgaben der Forschung – die Gebiete, auf denen Erkenntnisse zu sammeln sind, sind vielfältig. Ich möchte hier nur einige aufzeigen, die von einer Gruppe von Wissenschaftlern in den Vereinigten Staaten erarbeitet wurden:

Wir brauchen Forschung über

  • neue Quellen der Energieumwandlung (Windenergie, Gezeitenenergie etc.)
  • neue Transportsysteme (Entwicklung von Mini-Bussen, Selbstbedienungsbusse etc.)
  • Verhaltensänderungen der Gesellschaft sowie die politischen und sozialen Auswirkungen.
  • neue Unterrichtsmethoden (neue Materialien, programmierter Unterricht etc.)
  • Familien- und Nachbarschaftsbeziehungen (neue Gemeinschaftssiedlungen, Wohnsysteme etc.)
  • den Übergang zu gleichbleibendem Verbrauch (Entwicklungsreduktionsmodelle etc.)

Zur Konkretisierung ein Beispiel (18):

„Klärschlamm aus Abwässern sowie andere organische Abfälle sind verbrauchte Erzeugnisse, die wir heute, weil es billiger ist, nicht in den natürlichen Kreislauf zurückführen, sondern durch Gewässer wegspülen oder verbrennen.

Aus Klärschlamm und Müllabfall läßt sich jedoch mit nur wenig mehr finanziellem Aufwand Neues herstellen.

Was fehlt, ist die Entwicklung eines leistungsfähigen Verteilersystems und eines Massenmarktes für dieses Produkt. Die Endprodukte sind für fast jede organische Landnutzung geeignet (Kleingärten, Grünflächen, Gartenbetriebe etc.).

Es ist durchaus ein potentieller, lukrativer Markt vorhanden. Es müssen jedoch psychologische Barrieren abgebaut werden. Bedarfsschätzungen sind aufzustellen. Der saisonale Gang ist festzustellen, Informationskampagnen sind zu erarbeiten, die zweckmäßige Vertriebsplanung für solche Produkte muß erarbeitet werden.“

Dies sind durchaus Aufgaben, die in den Rahmen der Unternehmensplanung fallen und durch Marktforschung untersucht werden müßten.

4.3 Ökologisch orientierte Produktentwicklung

Ein guter Bekannter von mir wurde mit der Entwicklung neuer Produkte beauftragt. Als ich ihn neulich besuchte, erwischte ich ihn dabei, wie er in einem dicken Stapel „Advertising Age“ nach neuen Produkten Ausschau hielt. Das ist es nicht, was ich unter ökologisch orientierter Produktentwicklung verstehe.

Die Gefährlichkeit heutiger Produktionsmethoden und Produkte verlangt nach neuen Konzepten und einer neuen Orientierung der Produktentwicklung.

Produkte der Zukunft müssen nach dem Grundprinzip der Natur, oem ständigen Kreislauf von „Schöpfung – Vernichtung – neuem Leben“ gestaltet sein (19).

Schon bei der Entwicklung sind die ökologischen Auswirkungen mit einzukalkulieren, das heißt, die Lösungen von Folgeproblemen mit einzubeziehen.

Für die Forschung, Planung, Entwicklung und Produktion werden deswegen die Aspekte

– umweltfreundliche Herstellung,

– Dauerhaftigkeit des Produktes

– und Wiederverwendbarkeit bzw. Rückführung in den Produktionskreislauf

von entscheidender Bedeutung sein.

Ziel zukünftiger Produktentwicklung muß eine optimierte Umweltökonomie sein, das heißt, mit einem minimalen Maß an Belastungen einen maximalen Produktnutzen erzielen (20).

Nicht mehr ökonomische, sondern ökologische Aspekte werden der primäre Orientierungsrahmen zukünftiger Produktentwicklungen sein. Die nachstehende Gegenüberstellung (21) soll dies deutlich machen:

Ist-Zustand (primär ökonomisch orientiert)

  1. Wegwerfprodukte (einmaliger Gebrauch von Material und Energie)
  2. Kurze Zeiträume (hoher Profit)
  3. Massenproduktion
  4. Naturentfremdung
  5. Kleinfamilie (Architektur, Stil)
  6. Entfremdung von Jung und Alt
  7. Monokulturen in der Landwirtschaft
  8. Wachstumsorientiertes
  9. Wirtschaftssystem
  10. Spezialisierte Großindustrien
  11. (hochgradige Arbeitsteilung)
  12. Konkurrenzverhalten

Modell (primär ökologisch orientiert)

  1. Recycling (Kein Ex und Hopp)
  2. Lange Zeiträume (Existenzsicherung)
  3. Handwerkliche Akzente
  4. Naturintegration
  5. Großfamilie (neue Wohnsysteme)
  6. Führt Jung und Alt zusammen
  7. Verschiedenartigkeit der
  8. Landwirtschaft
  9. Bedürfnisorientiertes
  10. Wirtschaftssystem
  11. Dezentralisierte Produktionsstätten (arbeitsintensiv)
  12. Soziale Verantwortung

Dies sind nur einige der neuen Aspekte umweltfreundlicher Produktentwicklung. Sie bedeuten nach meiner Auffassung auf keinen Fall – wie leider oft behauptet wird – eine Gefahr unserer Existenzgrundlage und Entwicklungsmöglichkeiten oder sogar den Tod des freien Wirtschaftssystems. Ganz im Gegenteil: Wir werden alle kreativen und innovativen Kräfte mobilisieren müssen, um die vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen.

Das Feld der Entwicklungen ist unermeßlich

Anpassungsfähigkeit, Umwandelbarkeit und Austauschbarkeit von Produkten und Produktteilen sind nur einige der Gesichtspunkte, die sich z. B. für die nachstehenden Produktbereiche realisieren lassen:

– Fernseh-, Radiogeräte und sonstige Elektrogeräte mit austauschbaren Funktionsmodulen, Wohnungen mit variablen Funktionseinheiten,

– Vario-Autos mit austauschbaren Elementen, Einheitsmotoren mit Steckkontakten für Funktionseinheiten wie Bohrmaschinen, Rasenmäher, Küchenmaschinen, Staubsauger und dergl. mehr,

– Einheitsyerpackungen (Container) für Milch, sonstige Getränke (Biersiffon), Zucker, Mehl, Kaffee etc. (22).

Es läuft darauf hinaus, daß wir zu einem maximalen Gebrauch der Produkte zurückkehren, das heißt,zu dauerhaften Gebrauchsgegenständen, die von vornherein auf lange Verwendung programmiert sind.

Der Verschleiß der Produktteile ist zu verring rn und auf unnötiges Re-Design ist zu verzichten. Diese Tendenzen werden im Bereich der Herstellung die Wiederaufnahme von Handwerksbereichen, die mit der Industrie wettbewerbsfähig sind, aufkommen lassen. Handarbeit, die für individuelle Gestaltung von Vorteil ist, wird forciert werden. Ein nicht unwesentlicher Aspekt in der Betrachtungsweise für die Zukunft kleinerer und mittlerer Unt8rnehmen. Vielleicht sind die schlechtesten Zeiten vorbei, wenn es auch im Augenblick nicht so aussehen mag.

Ich bin sicher, daß eine Entwicklung unter diesen Aspekten zwangsläufig die Verschwendungswirtschaft beeinflussen wird. Sparsame und saubere, umweltangepaßte Produkte werden dazu beitragen, die Gesellschaft genau so zu erziehen wie die Produkte der Konsumära der Wegwerfgesellschaft diese verzogen haben.

5. Aufruf: „Mut zur Tat“

Aus der Verhaltensforschung kennen wir 3 Muster, nach denen sich Tiere im Falle von Gefahr verhalten:

– sie stellen sich tot,

– sie ergreifen die Flucht

– oder greifen an.

Übertragen auf die Elite der Marketing- und Werbeberater glaube ich, kann man behaupten, daß die Zahl derjenigen, die angreifen, die geringste ist.

Ich sehe diesen Tatbestand als gefährlich an, denn wenn konventionelles Marketing für konventionelle Produkte tot ist, dann besteht im System kein Bedürfnis mehr nach konventionell arbeitenden und denkenden Marketingmanagern. Es ist erschreckend, daß nur wenige erkennen, in welche Sackgasse sie geraten sind. Und es ist nicht damit getan, daß wir unter Anwendung der alten Praktiken unseren Beruf rund um die Uhr ausfüllen. Wir müssen uns auf die neue Situation einstellen und hierfür ausbilden.

Ökologische Kenntnisse sind notwendig, um ein sinnvolles Umwelt-Marketing oder wie ich es nennen möchte – Öko-Marketing – einzuleiten und neue Zielsetzungen für eine Langzeitökonomie zu erarbeiten.

Marketing- und Werbefachleute spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Nicht weil sie intelligenter oder kreativer sind, sondern weil sie eine Schlüsselposition im System besetzen, nämlich die der „kreativen Managementunruhe“. Diese Funktion verpflichtet zu neuem Denken und Handeln im Sinne eines lebensfähigen Systems.

Welche Schritte sind einzuleiten, welche Möglichkeiten ergeben sich, damit wir weiterkommen?

5.1 ökologische Schulung

Neben der disziplinären, selbstverständlichen Ausbildung im Bereich Marketing und Kommunikation muß die interdisziplinäre Ausbildung gefördert werden. Zwangsläufig wird in der ersten Phase jeder in diesem Berufszweig Tätige gefordert, sich sofort durch Selbstschulung mit den allgemeinen ökologischen Problemen und Systemzusammenhängen zu beschäftigen.

In einer zweiten Phase wird es darauf ankommen, an den entsprechenden Schulen Lehrstellen hierfür einzurichten bzw. Seminare für Öko-Marketing und ökologische Schulung zu veranstalten.

5.2 Ökologisch orientierte Unternehmensberatung

Wer bis zum Rand voller Probleme steckt, in seiner Disziplin voll aufgeht und von Alltagsproblemen zugedeckt wird, blickt nur selten über den Rand hinweg. Das ist zwar verständlich, aber gefährlich.

Nicht zuletzt engagieren sich aus diesem Grund – zumindest sollte dies ein Gesichtspunkt sein – Unternehmen, Marketingberater oder Agenturen.

Es setzt natürlich voraus, daß diese weniger belastet mit den Alltagsproblemen der Industrie, mit Spürsinn und Fachkenntnis Trends und kommende· Entwicklungen erkennen und dementsprechend ihren Beratungseinfluß ausüben.

Zugegebenermaßen ist diese Aufgabe etwas schwieriger als vom Kunden vorgegebene Projekte routinemäßig abzuwickeln. Es ist aber – und das darf nicht vergessen werden eine der elementaren Funktionen nicht im Unternehmenssystem integrierter Mitarbeiter.

Daß der „Job“ professionell abgewickelt wird, ist Pflicht; das „etwas mehr“ die differenzierende Kür. In Zukunft wird die Kür zur Pflicht. Denn von den Innovatoren unseres dynamischen Wirtschaftssystems muß man erwarten, daß sie die Anzeichen eines sich verändernden Systems erkennen und entsprechend handeln.

Unternehmen sind davon zu überzeugen, dass

  • ein Wegrationalisieren von Arbeitskräften, die man durch die sozialen Einrichtungen wiederum finanzieren muß, langfristig unsinnig ist.
  • Produkte, die zwar kurzfristig ein Problem lösen, aber langfristig das ökologische System und damit unsere Daseinsgrundlage zerstören, keine Marktchancen mehr haben werden.
  • es unternehmerisch unverantwortlich ist, sich auf konventionelle Produkte zu konzentrieren, ohne ein ökologisch-ökonomisch orientiertes Produktprogramm in Angriff zu nehmen.
  • die Möglichkeiten, sich in einem neuen ökologisch angepaßten Markt zu engagieren, vielfältig und zuversichtlich sind.
  • Und letzten Endes, daß es eine moralische und ethische Aufgabe ist, sich für eine bessere Umwelt und das überleben der Gesellschaft einzusetzen.

5.3 Interdisziplinäre Beratungsgruppen

Geschichtlich gesehen halte ich im wesentlichen zwei Stufen der Agenturentwicklung für abgeschlossen:

  1. Die Persönlichkeitsberatung unter werblichen und künstlerischen Aspekten. Mit anderen Worten: Herr Brose hat von Herrn Leupin für Herrn Reemtsma ein Plakat malen, drucken und kleben lassen.
  2. Die Agentur unter der Full-Service-flagge mit dem Angebotsinhalt: vom Layout bis zur Produktkalkulation und Händlerbestechung bieten wir alles, was den Mehrabsatz garantiert und die Konkurrenz schwächt.

Die dritte Stufe der Beratung zeichnet sich nach meiner Auffassung durch interdisziplinäre Arbeitsweise und vernetzte Aktivitäten aus.

Die schon bei der Entwicklung einzubeziehenden Folgewirkungen von Marketingaktivitäten erfordern eine übergeordnete Betrachtungsweise und machen es notwendig, daß neben Marketing- und Werbeleuten Wissenschaftler mit zu Rate gezogen werden.

Marketing und Werbung wird demnach für die zukünftige Unternehmensberatung zur Teildisziplin degradiert.Sinnvolle zukünftige Unternehmensberatung kann nur im Rahmen von interdisziplinären Beratungsgruppen vollzogen werden, die je nach Aufgabenstellung entsprechend zusammenzustellen sind.

Drei Leistungsbereiche kristallisieren sich hier für Marketing und Werbung heraus:

  • Innovation

Suche nach Problemen und Findung neuer Problemlösungen im Sinne ökologisch einwandfreier Produkte.

  • Kooperation

Kooperative Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Unternehmen, die in der Lage sind, in Einzelbereichen eine Beratung bzw. eine Leistung anzubieten.

  • Kommunikation

Erarbeitung von Marketing- und Werbestrategien, die unter den neuen Gesichtspunkten helfen, die gefundenen, sinnvollen Problemlösungen im Markt zu kommunizieren.

Die von mir vor 2 Jahren gegründete Beratungsgruppe „die gruppe“ arbeitet auf mehreren Gebieten bereits nach diesem Prinzip. Dr. Vester von der Studiengruppe für Biologie und Umwelt, München, war der erste Initiator von wissenschaftlicher Seite, der das Konzept bejahte und voll unterstützt hat. Die Zusammenarbeit mit ihm hatte entscheidenden Einfluß auf meine jungfräulichen Ansätze ökologischer Unternehmensberatung.

Ihm folgten kooperationswillige Designer, Mediziner, Architekten, Ornithologen, Umweltforscher u.a., je nach Problemlösung.

In der Zwischenzeit wurden einige interessante Projekte interdisziplinär bearbeitet und befinden sich in der Realisationsstufe (Altpapier-Recycling- Modell, Konsumgüter-Refill-Konzept, Containerpalette, Vogelschutzkampagne etc.).

Doch der Anfang war schwer. In den ersten Monaten hat uns eines der bedeutendsten Textilunternehmen gebeten, ein wirklich innovatives Konzept zu entwickeln.

Ich fand die Aufgabe interessant, doch als ich Langzeitmodelle mit Qualitätsgarantie, Ersatzstoffe und -teile langfristig gültige Farbpaletten vorschlug, wurde mir wegen zu „progressiver Denkweise“ und „Unverständnis“ für die Absatzprobleme der nächsten, bereits fertigen Frühjahrskollektion Hausverbot erteilt.

Solche Beispiele sollten jedoch nicht entmutigen. Es gibt auch Weitsichtige unter den potentiellen Partnern.

6. Werbung: Den Bock zum Gärtner machen

Ohne eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit für eine tiefgehende Bewußtseinsveränderung werden wir die Probleme nur schwer oder nicht meistern. Es wird nicht leicht sein, Frau Saubermann klarzumchen, daß ein bißchen Grau zwar nicht weiß, aber sauber ist. Sie wissen, was ich meine?

Wir müssen dem ganzen Verein gegenüber zugestehen, daß wir an der Kreuzung den verkehrten Weg gegangen sind.

Ich möchte die Werbung hierfür nicht allein für schuldig sprechen. Das würde heißen: „Den Sack prügeln und nicht den Esel“. Aber ich kann Sie – und damit mich – nicht davon freisprechen, mit an der heutigen Situation beteiligt zu sein. Soviel zur Vergangenheit.

Was die Zukunft angeht, sieht es anders aus. Werbung kann nämlich nicht nur, sondern muß mit dazu beitragen, daß wir den Übergang zu einem System im Gleichgewicht – die Mitte zwischen ökonomischen Forderungen und ökologischen Erfordernissen schaffen.

Um diese Aufgabe zu bewältigen,muß die Werbung zu einem neuen Selbstverständnis finden, sich ihrer elementaren, steuernden, starken Funktion bewußt werden. Werbung schlechthin verteufeln, zeugt von Unkenntnis. Denn Werbung gibt es ebenso in biologischen Systemen. Ich möchte hier Dr. Vesters Ausführungen eines Vortrages anläßlich der BDW-Tagung in München zitieren:

„Werbung gibt es in biologischen Systemen. Ohne Kommunikation sind diese Systeme nicht funktionsfähig, jedoch kann man beobachten, daß die Werbung nie dem einzelnen dient, sondern der Erhaltung des Gesamtsystems bzw.der Art. In diesem Sinne hat die Werbung natürlich auch in unserem System, in unserer Gesellschaft eine wichtige Funktion.

Die Werbung in der heutigen Form ist jedoch größtenteils pervertiert. Sie ist fast immer degradiert zu einem reinen Funktionär einzelner Interessengruppen und nicht mehr Funktionär des Ganzen.

Werbung ist nur ein Teil des Ganzen

Es wäre jedoch zu einfach, der Werbung den negativen Auswuchs allein in die Schuhe zu schieben oder dem Profitstreben der Industrie oder der Konsumsucht der Bevölkerung. Werbung ist nur ein Teil des Ganzen und hat damit nicht die Gesamtverantwortung, aber sie muß sich ihrer Funktion besinnen und ihre Funktion im System zur Erhaltung des Systems wahrnehmen.

Die Werbung muß aufhören, sich lediglich als Auftraggeber der Industrie zu verstehen, die Verantwortung auf diese abzuwälzen und ohne Reflexion nicht zukunftsträchtige Dinge der Gesellschaft aufzuschwatzen.

Werbung muß auch im Sinne der Gesamtgesellschaft versuchen, die Industrie zu beeinflussen. Sie muß ihre großartigen Kapazitäten des Verlockens und Werbens für eine biologische, sinnvolle Zukunft auch auf ihren Auftraggeber ansetzen“.

Daß ich diese Auffassung teile, habe ich, so hoffe ich, in meinen vorherigen Ausführungen klargemacht. Wir können uns von der Verantwortung, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf die gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Aufgaben hinzuweisen, nicht freimachen.

Wenn wir jetzt nicht handeln, wird uns die Gesellschaft eines Tages als Minderheit für etwas verantwortlich machen, wofür wir den Strick nicht verdient haben.

Stiftung zur Förderung des ökologischen Bewusstseins

Ich fordere deswegen den BDW, alle anderen Verbände und die gesamte Kommunikationsbranche auf,eine „Stiftung zur Förderung des ökologischen Bewußtseins“ zu realisieren.

Das Kuratorium dieser Stiftung sollte aus Vertretern der Verbände,der Wissenschaft und des Umweltschutzes zusammengestellt werden.

Durch eine Prüfungsgesellschaft treuhänderisch verwaltet, würden die Mittel sinnvollen Projekten zugeteilt werden wie:

  • Seminaren zur ökologischen Schulung von Führungskräften aus Marketing und Werbung,
  • Öffentlichkeitsarbeit für Meinungsbildner,
  • Unterstützung der Kommunikationsarbeit der Umweltschutz-Institution

Ein solches Projekt würde ich für einen geschichtlich bedeutenden Schritt und Beweis echten Engagements sehen.

Eine solche Tat würde über die sonst üblichen Lippenbekenntnisse weit hinausgehen. Lassen Sie uns darüber nachdenken.

Darüber hinaus müssen wir uns jedoch die Frage stellen, wie wir die Masse in Zukunft zu zielkonformem Verhalten im ökologischen Sinne bewegen können. Durch Anreize? Materielle Vorteile? Emotionale Behauptungen? Wahrscheinlich nicht! Ich glaube, es geht langfristig nur durch eine Bewußtseinsveränderung. Ökologisch konformes Verhalten muß ein Trend werden. Es muß, von Vorbildern vorgelebt, der neuen Generation anerzogen werden. Opinion-Leader müssen vorangehen.

Strategie für mehr ökologische Aspekte im Marketing

Das umdenken muß an der Spitze der Pyramide beginnen und nach unten in die Breite durchsickern. Zuerst müssen die Steuerleute, die Aktiven an den Entscheidungsstellen, gewonnen werden. Hier beginnt Ihre Beeinflussung als Berater. Sie können nicht alles tun. Aber Sie können beeinflussen,maßgebliche Leute informieren, beunruhigen und verunsichern und zu neuem Nachdenken und schließlich zu neuem Handeln bewegen.

Das ist Ihre Aufgabe, Ihre Funktion im System.

Ich wollte versuchen, Sie mit diesem Überblick zum Nachdenken zu bewegen und zum aktiven Tun anzuspornen.

Wenn mir dies mit meinen Ausführungen gelungen ist, habe ich vielleicht etwas bewegt, einen Prozeß in Gang gesetzt, von dem ich hoffe, daß er einmal eine Lawine auslösen wird.

Anmerkung 

Obwohl ich mir nicht allzuviel Hoffnung mache: Denn der alte Adam ist zäh!

Literaturnachweis

(1) Jakobi: Die menschliche Springflut

(2,3,4) Umwelt 2000 (Senckenberg-Reihe Nr. 3)

(5) SPIEGEL 14/75

(6) SPIEGEL 8/75

(7) Umwelt 2000 (Senckenberg-Reihe Nr. 3)

(8) Bild der Wissenschaft 1/75

(9) Umwelt 2000 (Senckenberg-Reihe Nr. 3)

(10) Bild der Wissenschaft 2/76

(11) DIE ZEIT 15.2.1974

(12) Bayerischer Rundfunk „Essen wir Gift?“ (April 1974)

(13) SPIEGEL 26/71

(14) Bild der Wissenschaft 4/76

(15) Gruhl, Ein Planet wird geplündert

(16) Prof. Stumpf, Ettlingen

(17) Dr. F. Vester, Studiengruppe für Biologie und Umwelt

(18) Dr. u. Jetter, Marktforscher (Kelkheim)

(1 9) Der ökologische Topf (Kreativität und Tat, München)

(20) Der ökologische Topf (Kreativität und Tat, München)

(21) Aufsatz: Sozial-Design, w. Lutz, TU Berlin

(22) Aufsatz: Sozial-Design, w. Lutz, TU Berlin