Die ökologisch orientierte Zukunft als
unternehmerische Verantwortung


Beitrag auf dem AEG Symposium 1989
Rudolf
L. Schreiber



TEIL 1


Das Talent des Menschen, sich einen Lebensraum zu schaffen, wird nur durch sein Talent übertroffen, ihn zu zerstören. Der Kernsatz stammt von Theodor Heuss und trifft exakt die heutige Situation. Der Zustand unseres Lebensraumes Erde ist alarmierend und Wissenschaftler vermissen eine ökologische Orientierung und befürchten den ökologischen Notstand. In historisch unvergleichbarem Ausmaß und Tempo werden unsere globalen Lebensgrundlagen (Wasser, Boden, Luft, Atmosphäre) zerstört und schneller verbraucht als sie sich regenerieren können.

Die Reduzierung der Ozonschicht, die Erwärmung der Erdoberfläche, die Vergiftung der Meere, die Vernichtung der Wälder, der Verlust
fruchtbaren Ackerlands, das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sind nur Einzelaspekte der sich abzeichnenden globalen Umweltkrise.
Zum ersten Mal gefährdet der Homo Sapiens durch die explosionsartige Vermehrung seiner Art und die daraus resultierende weltumspannende Industrialisierung seinen gemeinsamen Lebensraum. Was die Natur in 3 Milliarden Jahren auf dem Planeten Erde geschaffen hat, hat der Mensch zum größten Teil und vorwiegend in den letzten 30 Jahren erheblich geschädigt.

Die Hauptmerkmale der heutigen Umweltkrise sind ihre Ganzheitlichkeit und die vernetzten, globalen Kausalzusammenhänge von biologischen wie sozio-ökologischen Faktoren. Sie äußert sich nicht nur in der Übernutzung der ökologischen Ressourcen, sondern auch in den sozialen und wirtschaftlichen Problemen der Weltgesellschaft. Da unser Überleben und unsere Wirtschaft jedoch von einem reibungslosen Funktionieren der ökologischen Prozesse abhängen, muß unser gemeinsames und primäres Ziel die Erhaltung der Biosphäre sein. Die allgemein bekannten ökologischen Realitäten müssen deshalb zu Konsequenzen für die Wirtschaft führen. 

Wir benötigen eine globale, ökologisch orientierte Wirtschaftsstrategie,

die auch Naturschutz als Selbstschutz begreift. Die Wirtschaft muß in Zukunft die Probleme des Naturschutzes und der Naturschutz die Probleme der Wirtschaft mitdenken. Ökonomie und Ökologie dürfen sich nicht weiter als feindliche Lager gegenüberstehen. Wenn sich der Mensch nicht als Irrläufer der Evolution entlarven will, weil er seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört, so muß er den „Angriff der Gegenwart auf die Zukunft“ stoppen.

Die Chancen und Zukunftsaussichten sind prinzipiell nicht negativ, erfordern jedoch ein grundsätzliches Umdenken in der Wirtschaft, globale Strategien und eine Mobilisierung aller Kräfte und Partner. Erstaunlich ist, daß der Naturschutz von einem Partner Auftrieb erhält, von dem man es am wenigsten erwartet hätte: dem Militär! In Gesprächen mit russischen Wissenschaftlern haben wir darin übereingestimmt, daß die globale Naturzerstörung ein Vorbote des Friedens ist. Das Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion hat beide Nationen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht und die Abrüstungsbereitschaft mit ausgelöst. Diese Entwicklung wird dadurch verstärkt, daß immer mehr Geldmittel in die ökologische Aufrüstung investiert werden müssen. Beide Entwicklungen, die militärische Abrüstung und ökologische Aufrüstung, führen zwangsläufig zu verstärkter Kooperation der Mächte für einen gemeinsamen Fortschritt und ein stärkerer Zusammenschluß der Staaten der Welt.

Schon Carl Friedrich von Weizsäcker kam gemeinsam mit dem Philosophen Georg Picht 1939 zu dem Schluß, daß die Menschheit nur
noch zwei Möglichkeiten haben würde: „Entweder sich selbst zu vernichten oder die Institution des Krieges zu überwinden“. Michael Gorbatschow hat mit seinen visionären Konzepten die Welt in den letzten Monaten radikal verändert und damit Raum für neue Leitbilder geschaffen. Wenn die Entwicklung so fortschreitet, bin ich sicher, daß in Ost und West Militär zunehmend für die Bewältigung dringender Umweltprobleme und einer globalen Umweltkontrolle eingesetzt wird. Es ist durchaus denkbar, daß noch in diesem Jahrzehnt eine „Grüne UNO“ für den Schutz der Großökosysteme wie Regenwälder und Meere eingesetzt wird.

Eine Verlagerung der militärischen Aufgaben 

wäre auch aus fiskalischen Gründen sinnvoll. Die erheblichen Geldmittel könnten aus dem Militärhaushalt in einen „Umwelt-Verteidigungshaushalt“ übertragen werden. Der Abbau der militärischen Fronten und die zunehmende wirtschaftliche Zusammenarbeit führt zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse in der Welt. Verstärkt bilden sich große, wirtschaftliche Machtblöcke und kontinent-
übergreifende Unternehmenskooperationen, die zu einer neuen Ordnung führen. Mit zunehmender Verlagerung der Macht auf die Wirtschaft übernimmt diese eine größere Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen und das gesamte Leben auf unserem Planeten. Zunehmend verschwinden die Grenzen zwischen Ökologie und Ökonomie und die Erhaltung beider Systeme (Ökosystem und Wirtschaftssystem) wird eine gemeinsame Aufgabe aller Nationen und aller Menschen, besonders jedoch derjenigen an den Schaltstellen der Politik und Wirtschaft.

Die Globalisierung der Industrie ist aus heutiger Sicht eine Realität, auf die wir uns einstellen müssen. Wir haben keine Alternative, des wegen brauchen wir neue Regeln für das neue Spiel, ein hohes Maß an globaler Verantwortlichkeit, eine neue Ethik und Richtlinien für die neue Weltwirtschaft und das Planetenmanagement. Die Vorteile der Entwicklung hinsichtlich globaler Kommunikation und Dienstleistungen, der friedenssichernden Belebung des Handels zwischen Ost und West, der Erhöhung des Lebensstandards in ärmeren Ländern, sind eindeutig. Die Nachteile durch die weiter ansteigende Belastung der Biosphäre durch erhöhten Energieverbrauch, zunehmenden Ressourcenverbrauch, Zerstörung der Ökosysteme und weiteren Artenschwund sind jedoch vorprogrammiert, wenn wir die bisherige Entwicklung fortschreiben und nicht eine Evolution unseres Denkens und Handelns vollziehen.

Es muß deshalb unser Interesse sein, sehr schnell ein an den Grenzen der Ökologie orientiertes Weltwirtschaftssystem zu entwickeln.
Es wäre kein Fortschritt zu einer humanen Weltgesellschaft, wenn wir den Krieg durch ökonomische Konflikte ablösen würden und wenn wir es nicht schaffen würden, mit der Verantwortung auf höherem Niveau fertig zu werden.

Wir brauchen deshalb eine neue Sicht der Wirklichkeit,

eine Umkehr des Denkens, einen Wandel vom Wettbewerb zur Kooperation und ein globales Verständnis der Menschheit. Vordenker einer ökologischen Orientierung kommen aus den unterschiedlichsten Lagern. Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter plädiert für „Frieden und Umweltschutz durch Vernetzung der Staaten und Konzerne“. Wirtschaftsminister Helmut Haussmann formulierte in der „leit“ pointiert: „Die EG ist die zivilste, friedlichste (ökonomischste) ‚Weltmacht‘ der Geschichte. Ihre primären Ziele sind Wohlstand freier Gesellschaften und friedliche weltweite Kooperation. Die EG ist sozusagen das Modell einer Weltgemeinschaft ziviler Handelsnationen“.

Die Vertreter des Club of Rome sehen die Entwicklung kritischer, jedoch nicht grundsätzlich negativ, wenn die ökologischen Realitäten
berücksichtigt und ein Rat der Vereinten Nationen für die Sicherung der Umwelt etabliert werden. Ihr Vorschlag ist die Gründung einer
„Kooperationsrunde für globale Entwicklung“, bestehend aus führenden industriellen Finanzfachleuten und Regierungsvertretern der fünf Kontinente. Im Prinzip wäre dies ein Verwaltungsrat für die Welt und die Weltwirtschaft.

Ich bin sicher, daß ein solcher Rat etabliert wird und daß es verbindliche Richtlinien für die Weltgesellschaft geben wird. Innerhalb dieser Begrenzungen wird die freie Marktwirtschaft die dominierende Rolle einnehmen und damit der individuelle Bürger der globalen Gesellschaft mehr Macht in unserem „Weltdorf“ übernehmen. Damit meine ich, daß der Bürger als Konsument durch seine Kaufentscheidung mitbestimmt, wer an der Macht bleibt und damit zu einem Aufbau einer weltumfassenden Konsumdemokratie das globale Geschehen mitbestimmt.

Dies wäre auch im Sinne von Adam Smith, dem Begründer der modernen Ökonomie, der den freien Markt als Chance verstanden hat, den Einzelnen aufgrund des Güterangebotes und der Konsumfreiheit durch seinen Kauf mitbestimmen zu lassen, wer im Markt erfolgreich ist und wer nicht. Da heute bereits breite Verbraucherkreise sich nachweislich für umweltfreundliche Produkte entscheiden, ist die Idee von Smith erneut bestätigt und bewährt sich auch für die ökologische Neuorientierung der Marktwirtschaft.

Neue Perspektiven

Ich habe mit Absicht diese Weltperspektive aufgezeigt, da die Rechte der Natur global zu vertreten sind und sich die Perspektiven einer ökologisch orientierten Marktwirtschaft und die unternehmerische Verantwortung nur im Gesamtzusammenhang verständlich darstellen lassen. Neue Perspektiven bringen neue Zeitalter hervor und in einem solchen befinden wir uns. Wir stehen an der Schwelle zu einer dritten Entwicklungsstufe der Wirtschaft.

Die erste Entwicklungsstufe war problemorientiert, es war die schöpferische Phase der Unternehmer-Pioniere des frühen Industriezeitalters. Die Probleme des Menschen, die Optimierung seiner Lebensbedingungen gegen die Unwillen der Natur und die Erleichterung der Lebensumstände standen im Vordergrund der Bemühungen.

Die zweite Entwicklungsstufe, in der wir uns noch befinden, ist markt- und wettbewerbs orientiert. Die Probleme der Firmen stehen im Vordergrund. Das Ringen um Marktanteile dient primär der Erhaltung der Unternehmenssysteme und weniger der Erhaltung des Gesamtsystems Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Betriebswirtschaftliche Sachzwänge werden stärker gewichtet als ökologische Überlebensbelange.

Die dritte Entwicklungsstufe zeichnet sich langsam ab, sie hat evolutionären Charakter und zum Ziel, eine überlebensfähige, ökosystemorientierte Marktwirtschaft zu schaffen. Sie orientiert sich primär an den ökologischen Gegebenheiten und nicht mehr nur an unseren technischen Möglichkeiten. Im Prinzip geht es um eine „Perestroika des Westens“, einer Erneuerung der Wirtschaft unter stärkerer Einbeziehung der ökologischen Realitäten.

Die Neuorientierung der ökologischen Marktwirtschaft leitet zwar das Ende der Verschwendung ein, nicht jedoch das Ende des Fortschritts, sondern vielmehr den Anfang einer neuen Entwicklungsstufe und der Partnerschaft zwischen Ökologie und Ökonomie. Die Ökonomie kann die ökologischen Notwendigkeiten nicht länger leugnen und die Ökologie muß die ökonomischen Realitäten akzeptieren. Letztendlich muß eine weitgehende Vermittlung beider Interessen möglich sein, denn es gelten für beide Systeme die gleichen Prinzipien.

Unternehmerische Verantwortung gefragt, wie nie!

Die Ökonomie strebt an, mit einem minimalen Einsatz einen maximalen Gewinn zu erzielen, die Ökologie strebt an, mit möglichst geringem Aufwand das Beste zu erreichen, beziehungsweise das System zu stabilisieren. Eine Erforschung der Gemeinsamkeiten ist eine Voraussetzung für neue Strategien ebenso wie die Tatsache, daß die Umweltkrise als Chance und Herausforderung verstanden werden muß. Das fällt leichter, wenn wir uns ein paar selbstverständliche Realitäten vor Augen führen.

Erstens: Die Zerstörung der Natur ist ernst zu nehmen und erfordert ein sofortiges Handeln in der Wirtschaft.

Zweitens: Ökologische Schäden sind auch ökonomische Schäden, sie werden allein in der Bundesrepublik auf rund 100 Mrd. DM jährlich kalkuliert (ca. 5 % des Bruttosozialproduktes).

Drittens: Die Verbrauchereinstellungen haben sich stark verändert. Die Sorge um die Umwelt steht an erster Stelle und der Konsument wünscht mehr umweltfreundliche Produkte.

Viertens: Unternehmen sind ein Teil des Systems und stehen damit in direkter Verantwortung für die Erhaltung des Gesamtsystems
(Biosphäre).

Diese Tatsachen zwingen zu einer Umkehr der unternehmerischen Orientierung: Nicht mehr der Markt allein bestimmt den Kurs, sondern
Mutter Natur spricht ein Wort mit. Für die Praxis bedeutet dies die Durchsetzung eines ökologisch orientierten Marketing, das effektive Lösungen anstehender Umweltprobleme konkret anstrebt. Ein solches Ökomarketing ist ökologie- und ökonomieorientiert, ist umweltgerecht und marktgerecht, zielt auf Energieeinsparung und ökologisch orientierte Produktentwicklung und strebt letztendlich einen sicheren Gewinn zur Stabilisierung des Unternehmens und zur Finanzierung umwelterhaltender Maßnahmen an. Ökomarketing, basierend auf einer ganzheitlichen Unternehmensphilosophie, durchleuchtet alle direkten und indirekten unternehmerischen Aktivitäten und Einflüsse auf die Umwelt: von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion, den Transport und Verkauf, Einsatz des Produktes und Verbrauch bis zur Entsorgung.

Die ökologische Orientierung der sozialen Marktwirtschaft als Leitbild einer globalen Weltwirtschaft 

… , erfordert ein neues Selbstverständnis und klare politische Richtlinien für alle Marktbeteiligten in allen Märkten. ZurNeuorientierung gehören unter anderem eine ökologische Schulung des Managements, ein neues Wachstumsverständnis und eine neue Ethik.

Die Krise, in der wir uns heute befinden, ist nicht nur eine ökologische Krise, sondern auch eine geistige und moralischeKrise des Managements. Den Führungskräften in Politik und Wirtschaft fehlt eine interdisziplinäre Ausbildung und damitdie Fähigkeit, die Zusammenhänge zwischen dem Umweltsystem und Wirtschaftssystem zu erkennen. Das gleiche gilt für die Ökologie. Auch hier steckt die vergleichende Systemforschung noch in den Kinderschuhen. Ökologische Grundkenntnisse sind jedoch eine Voraussetzung für ökologisch orientierte Innovationen und ein hervorragender Nährboden für neue Produktideen. Ohne ein umweltbewusstes und ökologiesensibles Management gibt es keine umweltbewusste Industriegesellschaft und ohne eine ökologie-orientierte Industriegesellschaft keine Zukunft.

Es ist deshalb zwingend und dringend notwendig, dass Ökologie an den Wirtschaftshochschulen gelehrt wird und sich das heutige Management durch Seminare sachkundig macht, um zu gewährleisten, dass sich ökologischer Sachverstand undKreativität entfalten kann. Die zunehmende Globalisierung und Ökologisierung erfordert neben den beruflichen Fähigkeiten der Unternehmer auch politische und wissenschaftliche Kenntnisse. Unternehmer und Manager müssen weitaus mehr als in der Vergangenheit die Konsequenzen ihres Handelns auf das Ganze überblicken und zu einer humanistischen Einstellung gelangen, um den Forderungen einer ökologischen Marktwirtschaft im internationalen Gefüge gerecht zu werden.

Was unser Wachstumsverständnis angeht, so ist zur notwendigen Veränderung unserer Einstellung Erich Fromms Werk „Haben oder Sein“ empfehlenswert. Nach seiner Auffassung ist unser Streben nach Besitz kein ursprünglicher, natürlicher Trieb, sondern einProdukt der gesellschaftlichen Entwicklung. Nicht „teilen“, sondern „besitzen“ wurde kultiviert und bildete damit dasFundament für das Wirtschaftssystem und führte zu dem Konflikt, dass das Wachstum des Systems höher eingeschätzt wird als das Wohl der Menschen. „Habgier und Frieden schließen einander aus“. Zu diese Schluss kommt Erich Fromm.

Auch aus ökologischer Sicht wird der Konflikt deutlich

Auf einem begrenzten Planeten mit endlichen Rohstoffen kann es kein unbegrenztes Wachstum geben und deswegen ist früher oder später die Frage einer gerechten Verteilung in einem Globalmarkt eine entscheidende Schlüsselfrage. Die Begrenztheit des „Wachsens“ macht es erforderlich, daß wir zu einem neuen Verständnis des „Wachstums“ kommen und neue Anreize kultivieren. Offen-
sichtlich ist, daß wir zwar von Jahr zur Jahr ökonomisch reicher aber ökologisch ärmer werden, Wachstum und Wohlstand mit immer mehr Rohstoffverbrauch und Umweltbelastung ist eine Sackgasse. Auch die verbreitete Meinung, daß wir die Umweltprobleme nur durch mehr Wachstum und Technik lösen können, ist zum großen Teil falsch.

Die Begrenztheit der Ressourcen erfordert ein qualitatives, inneres Wachstum der Wirtschaft, vergleichbar mit dem Wachstum eines Kükens in einem Ei. Wir müssen Wachstum als Wandlung, als Ausgleichsprozeß verstehen und dementsprechend Innovationen fördern. Umweltschutz und Ökologieorientierung ist für unsere Marktwirtschaft auf keinen Fall eine Wachstumsgrenze, eine intakte Umwelt und ökologische Strategien sind vielmehr eine Wachstumsvoraussetzung und Herausforderung.

Unsere Zukunft und die Ökologisierung der sozialen Marktwirtschaft hängt nicht nur von den äußeren Faktoren Markt und Umwelt, sondern im wesentlichen auch von einem neuen Selbstverständnis, einer zeitgemäßen Wirtschaftsethik ab. 

Die wachsende Nachfrage nach Unternehmenskultur und ethischen Richtlinien verdeutlicht das Bedürfnis nach einer Erneuerung und Sinngebung unseres Wirtschaftens. Die Missachtung der ökologischen Gegebenheiten führte zu den existentiellen Umweltproblemen und die Verantwortungsdefizite in Unternehmen zu den bekannten Skandalen und beides zusammen zu einem erheblichen Vertrauensschwund in der Gesellschaft und der sich abzeichnenden „Sinnkrise“. Wenn der eigentliche Zweck des Wirtschaftens, Werte zu schaffen, nicht mehr erfüllt wird und wir immer mehr Unweit statt Umwelt erzielen, muß dies nicht verwundern.

Ethik ist die Lehre vom Wollen und Handeln des Menschen

Sie wurde im laufe der Geschichte entsprechend dem Zeitgeist und den Umweltbedingungen unterschiedlich verstanden und ausgelegt. Zur Vereinfachung schlage ich vor, unter Ethik allgemein „Rücksichtnahme“ zu verstehen und „ethisch“ als sittlich, moralisch und einwandfrei zu definieren.

Die minimalste Form der Rücksichtnahme ist, wenn jemand nur auf sich selbst Rücksicht nimmt. Eine Ethik, deren Fundament das Individuum war und die davon ausging, daß alles, was für den Einzelnen gut ist, auch der Gesellschaft zugute kommt, entstand im 17. Jahr- hundert und wird als egozentrische Ethik bezeichnet.

Die nächste Stufe der Rücksichtnahme bezieht die Gesellschaft mit ein. Sie hat ihr Fundament in der Gemeinsamkeit und dem Gut der Ge-
meinschaft, das es zu vermehren gilt. Die Prinzipien des Handelns zielen auf soziale Gerechtigkeit und Verpflichtung des Individuums gegenüber der Allgemeinheit. Diese Ethik, als homozentrische Ethik bezeichnet, war die Grundhaltung der Forstwirtschaft und der Naturschutzbewegung in Europa und USA im 19. Jahrhundert.

Heute, vor dem Hintergrund der globalen Vernetzungen ökologischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Belange, benötigen wir eine ganzheitliche Ethik. Sie wird als ökozentrische Ethik bezeichnet und basiert auf den ökologischen Naturwissenschaften. Sie zielt auf rücksichtsvolles Handeln, das Individuum, die Verwandtschaft, das eigene Volk, die heute lebende Menschheit, zukünftige Generationen, Tiere und Pflanzen, die Biosphäre und damit das gesamte Leben auf der Erde mit einschließt.

Nur die Umsetzung dieser Ethik in wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln garantiert unser überleben. Der Mensch ist nur ein Teil der Natur, ein Teil des Ganzen, sein Überleben nur eine Konsequenz der Erhaltung der Biosphäre. Vereinfacht heißt deswegen das ethische Grundgesetz für unser zukünftiges Handeln:

Gut ist, was dem Ganzen auf hoher Evolutionsstufe dient. Schlecht ist, was Einzelnen auf niedrigerer Stufe dient.

Die Wirtschaft braucht für eine ökologische Neuorientierung klare politische Rahmenbedingungen und international gültige Gesetze. Viele ökologische Missstände sind nachweisbar nicht auf die Macht der Wirtschaft, sondern auf die Ohnmacht der Politik zurückzuführen. Unser „junges“ Umwelt Ministerium haben wir zum Beispiel nicht der politischen Weitsicht und Verantwortung zu verdanken, sondern dem Reaktorunfall in Tschernobyl. Seit wir es haben, stellen wir fest, daß wir es brauchen.

Doch wäre es nicht auch sinnvoll und höchst effizient, zusätzlich auch andere Ministerien wie das Verkehrs-, Verteidigungs- und Landwirtschaftsministerium ökologisch zu reformieren? Auf jeden Fall ist in der Politik eine härtere Gangart zur ökologischen Erneuerung angesagt und vonnöten. Wir brauchen Taten statt Worte, Gesetze statt Ankündigungen.

In der Regierungserklärung vom Mai 1983 wird betont, daß das Eigeninteresse der Wirtschaft geweckt werden und umweltfreundliches Verhalten sich auszahlen soll. Das Ziel ist richtig, doch es mangelt noch an klaren Vorgaben.

Eine neue Umweltpolitik muß konsequente Motivationen und Anreize für wirtschaftliche, technische und wissenschaftliche, ökologische Innovationen schaffen. Und – sie muß ihre Strategie ändern und sich primär für die Beseitigung von Ursachen einsetzen, anstatt vorwiegend die Auswirkungen
zu bekämpfen. Dies ist zwar nicht unwichtig, jedoch ist Verhindern besser als Reparieren. Die Umweltpolitik muß mehr Anreize für das positive Umweltverhalten aller Beteiligten – vom Konsumenten über den Handel bis zum Produzenten – schaffen.

Negatives Umweltverhalten, umweltbelastende Produkte und Produktionsweisen müssen verteuert werden.

Folgekosten von Umweltbelastungen, für die heute der Bürger aufkommt, sind konsequent von den Verursachern zu tragen. Wenn die Getränkedose aus Weißblech und Aluminium mit den Folgekosten der Abfallbeseitigung belastet werden würde, hätte sie weniger Chancen im Markt.

Umweltfreundliche Produkte und Produktionsweisen sind zu fördern und steuerlich zu begünstigen. Die Umweltpolitik muß, vereinfacht gesagt, entschieden dazu beitragen, daß die Umweltbelastung als Kosten zu Buche schlagen und die Umweltentlastung als Erlös verbucht werden kann. Eine Besteuerung der Unternehmergewinne halte ich für einschränkend und aufgrund des zu erwartenden höheren Investitionsaufwandes für eine ökologische Reformierung der Wirtschaft für falsch. Sinnvoller erscheint hier, Richtlinien zu geben, wie Unternehmen nutzbringend in Naturschutzprojekte zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen investieren können.

Auf jeden Fall muß eine progressive Umweltpolitik eine aktive, ökologische Industriepolitik unterstützen und die Chance, für unsere
Marktwirtschaft eine Pionierposition im Weltmarkt einzunehmen, mit allen Mitteln fördern. Ich bin der festen Überzeugung, daß sich die Industrienation, die sich selbst die schärfsten Bedingungen auferlegt, die Führungsposition in einem zukünftigen globalen umweltorentierten Markt einnehmen wird.

Der Übergang von der sozialen zur ökosozialen Marktwirtschaft markiert die Grenze zwischen einem „Jahrhundert der Ökonomie und einem Jahrhundert der Ökologie“. Während in der Vergangenheit der Erfolg des Systems primär am Gewinn, der Erhaltung der Arbeitsplätze und an den sozialen Leistungen für die Gesellschaft gemessen wurde, wird der Erfolg in der Zukunft primär an der Überlebensfähigkeit und Stabilisierung des Gesamtsystems „Umwelt und Gesellschaft“ gemessen werden. Dieser Herausforderung muß sich der Unternehmer in den nächsten Jahrzehnten stellen. Das Ziel muß eine intakte Umwelt und humane Gesellschaft sein.

Die wichtigste Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele

muß in erster Linie die Stabilisierung des Energieverbrauchs in der Welt als dem treibenden Motor des Umweltverbrauchs sein. Dies bedeutet eine Verminderung der Energiewachstumsrate in den unterentwickelten Ländern und eine Senkung des Energieverbrauchs in den industrialisierten Staaten. Diese Strategie muß zumindest solange gültig sein, bis neue umweltfreundliche Formen der Energieerzeugung gefunden sind.

Des weiteren ist die Verminderung der Umweltverschmutzung kurzfristig und entschieden durch staatliche Verbote, staatliche Subventionierung von Innovationen und privatwirtschaftliche Entwicklungen in Angriff zu nehmen. Substantiell sind auch alle Bemühungen zur Ressourcenschonung. Hier geht es um die Beschränkung des Abbaus und die Förderung der Rückgewinnung von Rohstoffen jeglicher Art.

Neben diesen primär industriell orientierten Maßnahmen des Umweltschutzes geht es ergänzend um die Belange des Naturschutzes: die Sicherung der globalen Großökosysteme, die Sicherung der regionalen Landschaften und die Erhaltung ihrer Schönheit sowie die Erhaltung der Vielfalt der Natur, d.h. den Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten; letztendlich geht es um die Sicherung der ökologischen Prozesse als die Grundlage des Lebens auf der Erde.

Zehn Forderungen

Der sich überschneidende Maßnahmenkatalog verdeutlicht erneut, daß Umwelt- und Naturschutz und damit Wirtschaft und Umwelt nicht voneinander getrennt beurteilt werden dürfen und daß es um gemeinsame Aufgaben geht. zusammenfassend lassen sich für die ökologische Orientierung der sozialen Marktwirtschaft nachstehende zehn Forderungen aufstellen:

  1. Schaffung sinnvoller Werte und Einleitung eines rücksichtsvollen Konsums im Gegensatz zur Schaffung hochgezüchteter Ersatzbedürfnisse.
  2. Abkehr vom quantitativen Wachstum; Einleitung eines qualitativen Wachstums mit dem Ziel eines Wirtschaftssystems im Einklang mit der Natur.
  3. Abwendung von der Abfallwirtschaft hin zur Rohstoffwirtschaft durch Schließung von Materialkreisläufen und Recycling-Strategien.
  4. Reduzierung des Verbrauchs knapper, nicht nachwachsender Rohstoffe; Erhaltung und Förderung nachwachsender Rohstoffquellen.
  5. Energiequellen extrem sparsam nutzen; die Einsparung von Energie belohnen; den Energieeinsatz für Primärprodukte verbilligen, für Wegwerfprodukte verteuern.
  6. Intensive Förderung der Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen sowie Solarenergie, Wind- und Wasserkraft, Biomasse und Fotosynthese.
  7. Entwicklung von Dezentralisierungsstrategien für Produktion, Handel und Verbrauch. Förderung regionaler Energieproduktion, Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte und kommunaler Entsorgungskonzepte.
  8. Einbeziehung der Auswirkungen unternehmerischer Aktivitäten auf die Gesellschaft und Biosphäre; Umlegung der anfallen- den Umweltkosten auf die Produktkalkulation.
  9. Förderung langfristiger, ökologisch orientierter Unternehmensstrategien mit dem Ziel der Stabilisierung des Gesamtsystems Gesellschaft und Umwelt.
  10. Denken in zusammenhängen und Kreismodellen mit dem Ziel einer Abwendung vom klassischen Marketing hin zum ökologisch orientierten Marketing, unter Berücksichtigung der ökologischen Realitäten.

Die Hauptrolle für eine Ökologisierung der Marktwirtschaft spielt der Verbraucher

Er entscheidet kompromißlos durch seinen Kauf und es sieht so aus, als ob damit die Verantwortung dem kompetentesten Partner übertragen ist. Zumindest was das Umweltbewußtsein angeht, hatte der Verbraucher in der Vergangenheit die Nase vorn. Sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft kamen die Signale für eine Kurskorrektur von der Basis, d.h. von breiten Bevölkerungsschichten. Mehrere Umfragen beweisen seit Jahren eindeutig, daß für über 50 % der Bevölkerung die Frage des Umweltschutzes an erster Stelle der bedrückenden Sorgen steht. Nach einer neueren Untersuchung der GfK aus dem Jahre 1988 halten über 50 % der Bevölkerung die Erhaltung der Natur für wichtiger als ein weiteres Wachstum der Wirtschaft. 35 % sind bereit, sogar für umweltfreundliche Verpackungen mehr Geld auszugeben.

Ich finde diese Ergebnisse einerseits erfreulich und andererseits beschämend für die Wirtschaft. Zumindest beweisen sie, daß die Wirtschaft dem Verbraucher hinterherläuft und sie ihn noch nicht mit neuen Angeboten überholt hat. Unternehmen müssen jetzt sehr ernsthaft auf die Verbrauchererwartungen eingehen, sonst verlieren sie ihr Vertrauen und die Produkte die Akzeptanz. Die in den letzten Jahren eskalierten Skandale und Katastrophen, wie Hormon im Kalbfleisch, Nitrat im Mineralwasser, Glykol im Wein, Bruteier in Nudeln, Tschernobyl und Sandoz haben das Bewußtsein der Bürger verschärft und ihr Vertrauen erschüttert.

Mit Recht, zumindest in den USA, wie eine Studie der Harvard Business School beweist.  Von den 500 bedeutendsten amerikanischen Firmen waren zwischen 1975 und 1985 zwei Drittel in ernsthafte Skandale von Preismanipulationen bis zur illegalen Beseitigung von Giftmüll beteiligt.

Das Kapital Jugend

Der Schwund an Vertrauen ist besonders bei der Jugend bedenklich. Sie ist nicht nur der Konsument von morgen, sondern auch der Mitarbeiter für morgen. Aufgrund unserer einseitig materiellen Orientierung, daran ändern auch zwischenzeitliche „Yuppie-Auftritte“nichts, ist mit dem gestiegenen Lebensstandard das Bedürfnis nach nichtmateriellen Werten gestiegen und die Bereitschaft, für ökologisch orientierte Angebote, mehr zu zahlen, gewachsen. Jetzt geht es darum , daß die Wirtschaft das Vertrauen zurückgewinnt und auf die Umweltprobleme mit glaubwürdigen
Aktivitäten und nicht Pseudolösungen reagiert. Die Einführung der Marktwirtschaft nach dem Kriege war eine mutige Entscheidung und eine neue  Werteorientierung für mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten der menschlichen Entfaltung. Ihr Ziel war die Verbesserung der Lebensumstände durch ausreichende Bereitstellung von Gütern. Ludwig Erhard hatte mit seinem Konzept die planwirtschaftlich orientierten Ökonomen überzeugt und später durch das vielbesungene „Wirtschaftswunder“ recht behalten.

Die Einführung der ökosozialen Marktwirtschaft zur heutigen Zeit ist ebenfalls eine mutige Entscheidung und neue Werteorientierung für mehr Lebensqualität und Rücksichtnahme auf unsere Mitwelt. Ihr Ziel ist die Verbesserung der Lebensumstände durch die Sicherung und notwendige Renaturierung unserer natürlichen Umwelt.

Fazit

Als Vertreter des phantastischen Realismus des Managements habe ich Ihnen ein Bild von der Zukunft skizziert, das von der Gegenwart weit entfernt und aus Ihrer Alltagssicht sicher extrem überzogen ist. Doch bedenken Sie: In der Geschichte wurde immer wieder bewiesen, daß Visionen die Welt
bewegt haben.

Es war nicht die Hoffnung auf Gewinn, sondern der Traum vom Fliegen und der Wunsch nach einer besseren Welt, der Otto Lilienthal motiviert hat. Auch Edison wollte Licht machen, hätte er nur Geld machen wollen, würden wir heute noch im Dunkeln sitzen. Wir brauchen Visionen, um das ökologische Innovationspotential zu erschließen. Mit unserem konservativen Denken und den überlieferten Techniken werden wir es nicht schaffen. In Zukunft geht es um mehr komplexe Systemlösungen, biologisches Produktdesign, sich selbst abbauende Verpackungsstoffe, um progressive neue Distributionsformen, um Austauschmodule, Rücknahmegarantien und vieles mehr.

Die ökologische Denkhaltung eröffnet neue Perspektiven und es empfiehlt sich, von der Natur zu lernen. Die Natur beweist durch den beständigen Evolutionsprozeß permanent das Prinzip der Innovation und produziert neue Formen des Lebens. Die Natur als Baumeister, Chemiker, Logistiker hat für uns, wenn man sich damit auseinandersetzt, überraschende, übertragbare Lösungen in ihrem Designstudio. Es lohnt sich, sich hiermit auseinanderzusetzen und es macht Hoffnung für die Zukunft. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Mut für die Zukunft und Phantasie im Alltag.

Denn eine Zukunft ohne Phantasie und Visionen ist eine Zukunft ohne Hoffnung. Und die Hoffnung aufzugeben ist gleichzusetzen mit Selbstmord. Wir brauchen den Mut, Neuland zu betreten, und zwar nach dem Motto des Berner Pfarrers Kurt Marty, der einmal sagte:

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten,
wo
 kämen wir hin und niemand ginge,
um ein
mal zu schauen, wohin man käme,
wenn
 man ginge“


Teil II


1. Fakten für eine ökologische Orientierung

  • Veränderte Verbrauchereinstellung
    Umweltschutz steht an führender Stelle im Bewußtsein der Öffentlichkeit. Rund 30%
    der Bevölkerung zählen zu den Umweltaktiven. (Quelle: Dialoge 2/April 1987)
  • Verschärfte Gesetzgebung
    Schärfere Umweltgesetze; zunehmende Auflagen von staatlichen Stellen und Behörden.
  • Verschärfter Wettbewerbsdruck
    Stagnierende Nachfrage; zunehmende Konzentration; steigende Umweltorientierung einiger Firmen.

Unternehmen, die der Entwicklung durch
innovative Strategien gerecht werden,
geraten weniger unter Druck.


2. Anpassungsformen der Unternehmen

  • Passive Strategie
    Ignorieren, verdrängen, abwarten, anpassen, adaptieren.
  • Aktive Strategie
    Ganzheitlich, verantwortlich, vorwegnehmend, kreativ, innovativ.
  • Erfahrungs-Perspektiven
    lnnovatoren haben es schwieriger. Mittelständler sind mutiger und flexibler. Bei Erfolg besetzen lnnovatoren Führungsanspruch (subjektiv und objektiv).

Unternehmen, die in Zukunft die Umwelt-
probleme ignorieren, werden selber eins.

3. Haushalt als System

  • Haushalt (Architektur) und Küche als System verstehen.
  • Ökobilanz merstellen (Input-Output-Analysen).
  • Kreislauf der Hauswirtschaft neu definieren.
  • Ökologische, ökonomische und psychologische Vorteile:
    mehr Umweltschonung,
    neues Einsparungspotential,
    bringt Sinn ins Leben,
    verschönt die Freizeit,
    verhilft zu neuem Selbstbewusstsein und wird dem Selbstversorgungstrend gerecht.

Die Küche als Teilsystem des „Gesamtsystems Haushalt“ verstehen, führt zu einem Quantensprung des Angebotes.

4. Kriterien für den Küchenkauf

  • Konservative Kriterien (Stiftung Warentest)
    Klimabeständigkeit,
    Belastbarkeit der Böden,
    Haltbarkeit von Schubläden usw.
  • Ökologische Kriterien
    • Indirekt: Umweltorientierung des Unternehmens
      – Definition von Umweltrichtlinien in den Unternehmensleitlinien.
      – ökologische Einstellung und Schulung des Managements und der Mitarbeiter.
      – ökologische Orientierung der gesamten Produktzyklen.
      – Beitrag des Unternehmens zum Umweltschutz durch Umweltfinanzierung.
    • Direkt: Konkrete Produktvorteile
      – Reduzierung des Stromverbrauchs,
      – Reduzierung des Wasserverbrauchs,
      – Natürliche Materialien (Massivholz, keine bedenklichen Rohstoffe),
      – Systeme für getrennte Müllsammlung,
      -Lärmreduzierte Haushaltsgeräte usw .

Die Erschließung des interessanten „Öko-Käuferpotentials“ erfordert eine glaubwürdige, ökologische Gesamtstrategie des Unternehmens.

5. Faktoren und Maßnahmen für die Kaufentscheidung

  • Verbraucher
    Persönliches Engagement im Umweltschutz.
    Bereitschaft zum höheren Preis für umweltfreundlichere Produkte.
    Maßnahmen:
    – Kampagne für extrem Umweltengagierte;
    – Aufklärung über Umweltengagement der Firma;
    – höchste Umweltkompetenz und Qualität;
    – nach Möglichkeit greifbare Vorteile zur Begründung des höheren Preises.
  • Handel
    Mangelnde Sensibilität und Umweltkenntnis des Handels.
    Maßnahmen:
    – Schulung der Belegschaft;
    – Seminare und Symposien für den Handel;
    – Herausgabe von Broschüren;
    – Durchführung einer Fachhandelskampagne.

„Kooperation statt Wettbewerb“ sollte das Motto für eine Gemeinschaftskampagne (Umweltaufklärung} der Küchenhersteller sein.


6. Ökologisch örientiertes Marketing

  • Produktpolitik
    Ökologische Orientierung des gesamten Produktzyklus von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion bis zur Entsorgung (Angaben über Rohstoffherkunft; faire Preise für Lieferländer; Bevorzugung nachwachsender Rohstoffe).
  • Preispolitik
    24 % der Konsumenten sind bereit, mehr zu zahlen, jedoch ist eine ökologische Aufklärung des Verbrauches sowie eine Begründung des höheren Preises notwendig.
  • Distributionspolitik
    Möglichst dezentral; möglichst Bevorzugung der Bahn; Bevorzugung des Fachhandels, der beratend und mit Serviceleistungen (Rücknahme) ein wichtiger Partner für eine ökologische „Distributionspolitik“ ist.
  • Kommunikationspolitik
    Aufklärung von Verbraucher und Handel; wenn möglich Fakten statt Phrasen; konkrete Maßnahmen satt Imagekampagne.

Beweisbare „Ökosteckbriefe“ von Produkten (Küchen} bieten die Chance für einen höheren Preis und eine konsequente Qualitätspolitik.


7. Ökologisch orientierte Produktpolitik

7.1 Produktionsphase

  • ökologisch orientierte Produktentwicklung,
  • ökologisch orientierte Materialbeschaffung (keine Edelhölzer),
  • ökologisch orientierte Fertigungsverfahren,
  • Energie-, Wasser- und Rohstoffeinsparung im Betrieb,
  • Ausschöpfung aller Entsorgungsmaßnahmen des Betriebes,
  • umweltfreundlicher Fuhrpark,
  • Schaffung optimal ökologisch orientierter Arbeitsbedingungen,
  • Förderung des Umweltbewußtseins und der Motivation der Mitarbeiter,
  • Minimierung der Abfälle und Wiederverwendung von Produktionsresten,
  • Einsatz möglichst sortenreiner Materialien (z.B. Eisenbleche),
  • Nutzung der Abwärme von Produktionsprozessen,
  • Umweltfreundliche Werkstoffauswahl (lösungsmittelarme Lacke usw).


7.2 Verwendungsphase
Unbedenklichkeit der eingesetzten Materialien,

  • höchste Qualität, Haltbarkeit und Langlebigkeit der Produkte,
  • Flexibilität für Mehrfachverwendung (Umzug),
  • Reparaturfreundlichkeit, Austauschteile und Service,
  • Reduzierung von Strom, Wasser und Reinigungsmitteln,
  • Reduzierung des Lärms von Haushaltsgeräten,
  • Systemlösungen für Abfallentsorgung usw.


7.3 Entsorgungsphase

  • Verpackung
    – so wenig wie möglich,
    – umweltfreundliche Materialien,
    – Container-Systeme
  • Produktverwertung (Entsorgung)
    – Entsorgung bedenklicher Rohstoffe (FCKW),
    – Auseinandermontieren von Geräten und Küchen,
    – Ausschöpfung aller Recyclingmöglichkeiten,
    – Rücknahmesysteme (Geräte in Zahlung nehmen),
    – Demontagefreundlichkeit ; Einsatz von Modulen; Kennzeichnung von Kunststoffteilen; Rücknahme für Servicefälle usw.

Nur was ökologisch richtig ist, ist langfristig auch ökonomisch richtig

8. Ideensammlung für ökologisch orientierte Küchenangebote


8.1 Nutzung aller Möglichkeiten zum Stromsparen

  • energiesparende Haushaltsgeräte,
  • energiesparende Beleuchtung, Alternativangebot für manuell betriebene Haushaltsgeräte (Brotschneidemaschine),
  • Einbau von Stromzählern in Haushaltsgeräten zur Kontrolle und zum Lerneffekt,
  • Einbau von Herdplatten, die automatisch nach einer gewissen Zeit abschalten, wenn sie nicht bedeckt sind, Förderung von Gasherden, statt Elektroherden (Gas ist umweltfreundlicher und billiger),
  • Entlüftung ohne Energieverbrauch(neue Architekturkonzepte)


8.2 Nutzung aller Möglichkeiten zum Wassersparen

  • wassersparende Haushaltsgeräte, optimale Spülbeckengrößen, wassersparende Armaturen,
  • Einbau von Wasserdurchlaufbegrenzern, Wasseruhren und Meßinstrumenten, Sammelbecken für biologisch unbedenkliche Abwässer (ohne Spülmittel) für den Garten, Wasserfilter (?) für Abwasser-Vorreinigung,
  • Reduzierung von Reinigungsmitteln (Dosierungscontainer).

8.3 Vermeidung umweltbedenklicher Materialien

  • Material ohne Formaldehyd oder ähnliche ausgasende Verbindungen,
  • keine Spanplatten in der Küche,
  • Einsatz von Massivholz (keine Edelhölzer),
  • biologische Oberflächenbehandlung (Baumharze usw.),
  • Reduzierung des FCKW-Gehaltes; Forschung für Alternativen,
  • Vermeidung jeglicher Wohngifte.

8.4 Problemlösungen für Müllentsorgung

  • Küchendesign einschließlich Entsorgungssystem (Getrenntsammlung),
  • optimale Einrichtung für geruchsfreie Sammlung organischer Abfälle,
  • Einbaumöbel für die Aufnahme von Getränkekasten mit Mehrwegflaschen usw.

8.5 Sonstige „nostalgische“ Innovationen

  • Einbau von Speisekammern mit„Feuchtkühler“,
  • Einrichtung von Geräten zum Selbermachen von Nahrungsmitteln, wie z.B. Kornmahlen, Trocknen von Kräutern, Marmelade einmachen usw.,
  • Förderung des Trends zur Selbstversorgung als Ausgleich zur Alltagsarbeit.

8.6 Erweiterte Service-Leistungen

  • Lieferung von Ökobilanzen,
  • Garantie für sinnvolle Entsorgung (Recycling von Küchen usw.)

Ideen bewegen die Welt, auch den Küchenmarkt.

9. Perspektiven ökologisch orientierter Weltmarkt

Motto:
Global denken – lokal handeln
Strategie:

  •  BRD
    Neuausstattungen ökologisch orientieren;
    Austausch und Umbau mit ökologischer Begründung forcieren.
  • Ostblock
    Analyse über Grundbedarf (Durchschnittsküche), 
    Entwicklung eines Baukastensystems für Grundbedarf,
    Ausbau dezentraler Servicestellen,
    Joint venture mit anderen Herstellern für Systemlösungen (z.B. Müllentsorgung).
  • EG und industrialisierte Länder
    Vorsprung durch ökologische Innovationen und Herausstellung des Images „Made in Germanay“.
  • Entwicklungsländer
    Orientierung an den Umweltproblemen der Entwicklungsländer,
    Energieversorgung durch Solarenergie und Biogas,
    Entwicklung von neuen Küchen (Systeme mit Energieversorgung) und Freilandküchen.


Damit das Mögliche passiert, muß das „Unmögliche“ versucht werden: sich an global-ökologischen Kriterien orientieren, führt zur Erschließung lokaler Märkte.

Rudolf L. Schreiber auf dem Podium 1989

Ökologisch orientierte Wirtschaft